Trends in der deutschen Biotechnologie-Branche 2022
Biotech-Branche: viele Investitionen, wenig Schub durch Regierungswechsel
(Berlin – 18. Januar 2022) Die Finanzierung der deutschen Biotechnologie-Branche war mit rund 2,3 Mrd. Euro die bisher zweithöchste in der mehr als dreißigjährigen Geschichte der Industrie, nach dem Rekordjahr 2020 mit rund 3 Mrd. Euro. Die Unternehmerinnen und Unternehmer beurteilen ihre aktuelle und zukünftige Geschäftslage positiver als im Vorjahr. Zudem geben mehr Befragte an, in Forschung und Entwicklung (FuE) investieren und Personal aufbauen zu wollen. Auch das politische Klima wird 2021 noch positiver bewertet als 2020. Die neue Regierung weckt allerdings keine neue Hoffnung in der Branche, so das Ergebnis der jährlichen Trendumfrage des Biotechnologie-Branchenverbandes, BIO Deutschland, das heute in einer Pressekonferenz veröffentlicht wurde. Außerdem ergab die Umfrage, dass der Einfluss der Pandemie auf die aktuelle bzw. zukünftige Geschäftslage im Vergleich zum Vorjahr abnimmt.
Private Biotech-Unternehmen warben 2021 rund 851 Mio. Euro Venture Kapital ein, darunter auch der Therapie-Entwickler Emergence Therapeutics mit einer außergewöhnlich hohen Serie A von 87 Mio. Euro. Kapitalerhöhungen von öffentlichen deutschen Unternehmen belaufen sich auf rund 748 Mio. Euro. Börsengänge, allesamt an der US-amerikanischen NASDAQ, tragen 694 Mio. Euro zum Gesamtergebnis bei.
Die Einschätzung der aktuellen und zukünftigen Geschäftslage hat sich weiter verbessert und zeigt einen positiven Trend. 64 Prozent (2020: 59 Prozent) halten ihre Geschäftslage für gut, 52 Prozent (2020: 48 Prozent) erwarten eine Verbesserung. Der Einfluss der Pandemie auf die Geschäfte ist rückläufig. 33 Prozent (2020: 41 Prozent) geben an, dass die Corona-Krise 2021 einen Einfluss hatte, nur noch 16 Prozent (2020: 29 Prozent) erwarten das für 2022. Eine Trendwende ist bei der Beschäftigung zu sehen. Der Index steigt um rund sieben Punkte, 69 Prozent (2020: 56 Prozent) geben an Personal aufbauen zu wollen. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Absicht, in FuE zu investieren. 57 Prozent (2020: 49 Prozent) wollen die Investitionen steigern, der Index klettert um knapp fünf Punkte nach oben. Auch die Einschätzung des aktuellen politischen Klimas ist weiterhin positiv. Rund 4 Prozent (2020: 8 Prozent) halten es aktuell für schlecht. 59 Prozent (2020 53 Prozent) für gut. Die Wahl der Ampel-Koalition hat bei der Biotech-Branche keine großen Erwartungen geweckt und führt darum nicht zu einer wesentlichen Veränderung in der Einschätzung des zukünftigen politischen Klimas. 61 Prozent erwarten, dass es dieses Jahr besser wird (2020: 58 Prozent). Dafür gehen 9 Prozent davon aus, das es sich verschlechtert (2020: 4 Prozent)
Oliver Schacht, Vorstandsvorsitzender von BIO Deutschland, erklärt: „Die Finanzierungssituation der deutschen Biotechnologie-Branche entwickelt sich positiv. Das ist ein gutes Zeichen und auch dringend notwendig, damit unsere innovativen kleinen und mittleren Unternehmen ihr Potenzial voll entfalten können. Dennoch ist noch viel Luft nach oben, wenn wir, wie im Koalitionsvertrag geschrieben, die Chance, mit Deutschland zu einem führenden Biotechnologie-Standort zu werden, auch wahrnehmen wollen. Die Ampel-Regierung sollte die Biotechnologie jetzt zur Chefsache machen, damit wir bald noch mehr Erfolgsgeschichten erzählen können, nicht nur im Bereich der Gesundheit, sondern zur Bekämpfung des Klimawandels sowie bei nachhaltiger biobasierter Produktion, Kreislaufwirtschaft und Ernährung.“
Viola Bronsema, Geschäftsführerin von BIO Deutschland, ergänzt: „Unsere Trendumfrage zeigt, dass die Stimmung in der Branche positiv ist bzw. besser wird. Fachkräfte sind nachgefragt, die Investitionen in Forschung und Entwicklung sollen steigen. Dass der Regierungswechsel allerdings nicht zu einer wesentlichen Veränderung der Einschätzung des zukünftigen politischen Klimas geführt hat, obwohl die Förderung der Biotechnologie an einigen Stellen des Koalitionsvertrags erwähnt wird, muss uns zu denken geben. Entscheidend für die Standorttreue der Branche ist, ob, wie und wann die für unsere Branche positiven Ansätze im Regierungsprogramm auch umgesetzt werden.“
Carsten Dehning, Vorstand und CFO von Emergence Therapeutics, kommentiert: „Wir bei Emergence Therapeutics können die positive Entwicklung bei der Finanzierung der Biotechnologie bestätigen. Mit dem Einwerben einer Serie A von 87 Mio. Euro Ende 2021 haben wir gezeigt, dass es möglich ist, mit guten Daten, einer vielversprechenden Technologie und einem exzellenten Team international führende Investoren zu überzeugen, große Summen in ein pan-europäisches Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland zu investieren. Es ist heute deutlich einfacher, große Volumina auch in frühen Phasen einzuwerben und somit herausragende Technologieansätze und erfahrene Teams deutsch-französischer bzw. europäischer Herkunft maßgeblich zu unterstützen.“
Die Ergebnisse der Trendumfrage 2021/2022
Über diese Umfrage:
Zum 16. Mal in Folge hat BIO Deutschland Biotechnologie-Unternehmen und branchenspezifische Dienstleister befragt. 111 (14,2 Prozent) von ihnen haben den Fragebogen in diesem Jahr beantwortet. Ziel ist es, mit Hilfe dieses Stimmungsbarometers die Entwicklung des laufenden Jahres vorherzusagen. Die Berechnung und Ermittlung der Indexwerte erfolgt ähnlich der vom IFO-Institut angewandten Methodik. Im Wesentlichen repräsentieren die Werte die Differenz zwischen positiven und negativen Antworten. Die Werte sind auf die Ergebnisse des Jahres 2006 normiert (=100%).
Aktuelle Geschäftslage
64 Prozent schätzten ihre Geschäftslage 2021 als gut ein, 7 Prozent als schlecht
Rund 67 Prozent gaben an, die Geschäftslage sei nicht durch die Pandemie beeinflusst, 33 Prozent spürten die Pandemie. Am geringsten war der Einfluss der Pandemie prozentual bei den Unternehmen, die ihre aktuelle Geschäftslage als gut bezeichneten. Am höchsten bei denen, die sie befriedigend fanden.
Der Einfluss der Pandemie auf die aktuelle Geschäftslage hat sich verringert.
Zukünftige Geschäftslage
52 Prozent glauben, dass ihre Geschäftslage 2022 günstiger sein wird, rund 5 Prozent gehen davon aus, dass sie ungünstiger wird.
Rund 84 Prozent der Unternehmen gehen nicht davon aus, dass die Pandemie ihre zukünftige Geschäftslage beeinflussen wird. 16 Prozent dagegen schon. Der Einfluss der Pandemie war bei den Unternehmen, die eine ungünstigere Geschäftslage erwarten, mit 50 Prozent am höchsten, bei denen die eine gleichbleibende oder günstigere Prognose angaben, war der Einfluss der Pandemie mit 17 bzw. 12 Prozent gering und deutlich niedriger als im Vorjahr.
Aktuelles Klima
Das politische Klima fanden 59 Prozent 2021 gut und 4 Prozent schlecht.
Zukünftiges Klima
61 Prozent gehen davon aus, dass das politische Klima 2022 noch besser wird, 9 Prozent denken, es wird sich verschlechtern.
Zukünftige Beschäftigungslage
Personal aufbauen zu wollen, sagten 69 Prozent der Befragten, Personal abzubauen, planen 3 Prozent.
Zukünftige F&E-Investitionen
Ihre Investitionen in Forschung und Entwicklung planen 57 Prozent der Befragten zu erhöhen, 4,5 Prozent möchten diese verringern.