Pioniere der Nachhaltigkeit

Als Holger Zinke 2008 den Deutschen Umweltpreis aus der Hand des Bundespräsidenten entgegennahm, blickte er bereits auf beachtliche Erfolge der 15 Jahre zuvor von ihm gegründeten Firma BRAIN Biotech zurück. Das Unternehmen habe „maßgeblich dazu beigetragen, dass wichtige Schlüsselindustrien – wie die Chemie – mit ihren vielen Verfahren und Prozessen eine Biologisierung im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung erfahren“, hieß es in der Laudatio. „Die von ihm entwickelten Strategien zur industriellen Nutzung von Mikroorganismen und Enzymaktivitäten sind vorbildlich und modellhaft.“ Tatsächlich stand das Thema Nachhaltigkeit, das erst Ende der 1980er Jahre Einzug in die Weltpolitik gehalten hatte, in der deutschen Industrie noch kaum irgendwo auf der Agenda, als Zinke, Jürgen Eck und ihr akademischer Mentor Hans-Günter Gassen 1993 in Darmstadt ihr Biotechnology Research And Information Network ins Leben riefen – Pioniere der Nachhaltigkeit, die sich von Anfang an des  „Werkzeugkastens der Natur“ bedienten, um branchenübergreifend biologische Lösungen für Synthesen anzubieten, die einst klassischer Chemie bedurften. Aus gutem Grund gehört BRAIN Biotech deshalb heute zu den führenden Unternehmen auf dem Gebiet der industriellen Biotechnologie, einer Kerndisziplin der Bioökonomie.

Die industrielle Biotechnologie ist unser Metier. Lösungen für nachhaltigere Produkte und Prozesse zu finden, ist unsere Leidenschaft. Gemeinsam mit unseren Kunden gestalten wir eine biobasierte Zukunft.

www.brain-biotech.com

Eine Säule der erfolgreichen Arbeit des heute im südhessischen Zwingenberg ansässigen Unternehmens ist ein Bioarchiv, das die Forscherinnen und Forscher von BRAIN Biotech aufbauten und permanent erweitern. Dazu sammeln und analysieren sie natürlich vorkommende mikrobielle Lebensgemeinschaften aus Bodenproben und anderen Habitaten. Dieses sorgfältig gepflegte Archiv enthält bisher rund 53.000 genetisch charakterisierte Mikroorganismen, ungefähr 50.000 Naturstoffe und aus natürlichen Vorbildern abgeleitete chemische Substanzen, außerdem digitale Metagenom- und Enzym-Bibliotheken. Seine Objekte und Daten spiegeln viel von der Kreativität wider, die die Natur im Laufe der Evolution gezeigt hat. BRAIN Biotech nutzt sie und die über drei Jahrzehnte im Unternehmen aufgebaute Expertise in Enzym-Engineering, Produktionsstamm-Optimierung und Bioprozessentwicklung, um für seine Kunden umweltfreundlichere Produkte und Verfahren zu entwickeln. Denn energetisch aufwändige, fossilbasierte und teils umweltschädliche chemische Reaktionen können oftmals durch biobasierte Reaktionen ersetzt werden.

Dazu zählen zum Beispiel Enzyme zur Produktion von Bioethanol, aber auch Mikroorganismen, die das Kohlendioxid, das dabei entsteht, in Dicarbonsäuren umwandeln, aus denen sich dann wertvolle organische Verbindungen synthetisieren lassen. Dazu zählen bestimmte Bakterien, die aus Bergwerken stammen, und die Fähigkeit haben, Metalle zu binden, zu lösen oder in sich aufzunehmen. Aus Elektronikschrott oder Müllverbrennungsasche extrahieren sie in BRAINs BioXtractor Edelmetalle oder seltene Erden. Dass es heute möglich ist, Wäsche bei deutlich geringeren Temperaturen genauso sauber zu waschen wie früher und dadurch viele Millionen Tonnen CO2 zu vermeiden, ist Waschmittelenzymen von BRAIN Biotech zu verdanken, einer Entwicklung der frühen Jahre. Auch in den Bereichen Ernährung und Gesundheit ist das Unternehmen aktiv. Hautpflegemittel enthalten seine Naturstoffe, pflanzenbasierte Süßstoffe, Pro- und Präbiotika für die Darmgesundheit entspringen seiner Entwicklungsarbeit. Ein Enzym aus den Larven der Goldfliege eröffnet neue Perspektiven in der  Wundversorgung. Jüngst entdeckten Wissenschaftler von BRAIN Biotech Nukleasen, die anstelle von Cas9 als Genscheren zur Genomeditierung im zukunftsträchtigen CRISPR-Cas-Verfahren eingesetzt werden können.

Pioniere der Nachhaltigkeit, die sich von Anfang an des „Werkzeugkastens der Natur“ bedienten.

Im Februar 2016 wagte BRAIN Biotech als erstes deutsches Biotech-Unternehmen seit 2006 den Gang an die Frankfurter Börse. Das Geschäft der BRAIN Biotech AG steht auf den zwei Beinen BioScience (Industriekooperationen und Auftragsforschung) und BioIndustrial (Entwicklung und Vermarktung von eigenen Produkten). Die AG ist heute die Muttergesellschaft der internationalen BRAIN-Gruppe, die in Forschung und Entwicklung, Produktion und Vertrieb in Kontinentaleuropa, Großbritannien und in den USA tätig ist, und im Geschäftsjahr 202/22 mit rund 330 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern  einen Umsatz von 49,5 Millionen Euro erzielte.

Redaktion: Dr. Claudia Englbrecht englbrecht@biodeutschland.org, Joachim Pietzsch j.pietzsch@wissenswort.com