Frontrunner der Gensequenzierung
Selbst an herausragenden Medizinfakultäten mahlen die Mühlen des Fortschritts manchmal langsam. Das erfuhr die Tübinger Humangenetikerin Saskia Biskup, als sie als Postdoktorandin in München die genetischen Grundlagen des Morbus Parkinson erforschte. Ein Gen nach dem anderen musste sie dort sequenzieren, während anderswo, wie sie wusste, bereits eine viel schnellere und günstigere Technik Einzug hielt. Die Fachzeitschrift Nature Methods wählte dieses Next-Generation Sequencing (NGS), mit dem sich viele verschiedene Gene gleichzeitig entschlüsseln lassen, zur Methode des Jahres 2007 – und geistesgegenwärtig begann Saskia Biskup gemeinsam mit ihrem Ehemann Dirk, einem Diplom-Kaufmann, der damals als Chief Financial Officer der größten Bertelsmann-Druckerei in den USA fungierte, einen Business Plan zu schreiben, der auf der Erfindung des NGS aufbaute.
So wurde CeGaT zum weltweit ersten Biotech-Unternehmen, das das NGS erfolgreich in die humangenetische Diagnostik einführte.
Dieser Plan führte 2009 zur Gründung der CeGaT GmbH in Tübingen. Der Name steht für Center for Genomics and Transcriptomics. Der Plan basierte auf der Idee, das Potenzial der eben erst verfügbaren NGS-Hochdurchsatzplattformen in krankheitsspezifischen Diagnostik-Panels für Patienten zu entfalten. Sämtliche für eine Krankheit in Betracht kommenden Gene sollten gleichzeitig analysiert werden, um daraus möglichst präzise medizinische Befunde abzuleiten. Mit 18 solcher Panels, die jeweils rund 400 Gene umfassten, ging CeGaT an den Start. Viele dieser Panels bezogen sich auf seltene, erblich bedingte Krankheiten und erleichterten damit deren Diagnose erheblich. Denn CeGaT konnte schon damals die Sequenzierung eines Panels für jeweils 3.000 Euro innerhalb von ein bis zwei Monaten anbieten – etwa 50-mal preiswerter und schneller als es mit herkömmlichen Sequenzierungsmethoden möglich war. So wurde CeGaT zum weltweit ersten Biotech-Unternehmen, das das NGS erfolgreich in die humangenetische Diagnostik einführte. Schon im zweiten Geschäftsjahr 2010 erreichte das Unternehmen den Break-even und überschritt damit die Wirtschaftlichkeitsschwelle. 2011 wurde CeGaT mit dem Deutschen Gründerpreis in der Kategorie bestes Start-up ausgezeichnet.
CeGaT ist ein weltweit führender Anbieter von genetischen Analysen für ein breites Spektrum von medizinischen, Forschungs- und pharmazeutischen Anwendungen. Seit 2009 unterstützt das Unternehmen Ärztinnen und Ärzte und Patientinnen und Patienten bei der Suche nach den genetischen Ursachen von Krankheiten und bietet Forschern und Pharmaunternehmen genetische Analysen für klinische Studien und medizinische Innovationen.
Seither hat sich das Unternehmen für die medizinische Praxis wie für die akademische und industrielle Gesundheitsforschung als ein international führender Anbieter von Genanalysen fest etabliert. Es liefert seinen ärztlichen Einsendern ausführliche Befunde, generiert die genetische Datenbasis für zahlreiche klinische Studien und treibt dadurch die Entwicklung einer personalisierten Medizin voran. So sind seine Dienstleistungen in der Tumordiagnostik und -charakterisierung zunehmend gefragt. Während der Corona-Pandemie führte CeGaT als eines der ersten Unternehmen in Deutschland Antikörpertests durch und erweiterte sein Portfolio bald darauf um PCR- und Schnell-Tests.
2011 hatte das inhabergeführte Unternehmen 14 Mitarbeitende. Heute sind es weit mehr als 300. Der steigenden Nachfrage nach Hochdurchsatz-Sequenzierung entsprechend wird CeGaT weiterwachsen, 500 Mitarbeitende sind anvisiert. Deshalb errichtet CeGaT neben seiner Firmenzentrale im Tübinger Technologiepark gerade einen Erweiterungsbau, der die bisherigen Büro- und Laborflächen verdreifachen wird und Ende 2023 bezogen werden soll. Gleichzeitig investiert CeGaT kontinuierlich in die Anschaffung der neuesten Sequenzierungstechnologien, deren Leistungsfähigkeit inzwischen weit über die der ersten NGS-Sequencer hinausgeht. So erwarb CeGaT Ende September 2022 gleich nach dessen Einführung das neueste Produkt des Geräte-Weltmarktführers Illumina, den NovaSeq X Plus, der in der Lage ist, pro Stunde mehr als zwei komplette Genome mit je 3,2 Milliarden Basenpaaren fehlerfrei zu sequenzieren.
Redaktion: Dr. Claudia Englbrecht englbrecht@biodeutschland.org, Joachim Pietzsch j.pietzsch@wissenswort.com