Brückenbauer zwischen Bench und Bedside
Wenige Biotech-Unternehmen können sich rühmen, einen Nobelpreisträger zum Gründer zu haben. Evotec zählt zu diesen Unternehmen. Sein Mitbegründer Manfred Eigen (1927 – 2019) war schon als 40-jähriger 1967 mit einem Chemienobelpreis ausgezeichnet worden. Anschließend wandte er sich der Biologie zu, vor allem der molekularen Evolution, die er als Leiter des 1971 von ihm gegründeten Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie in Göttingen erforschte. Er war überzeugt davon, dass die evolutionäre Biotechnologie die beste Basis für die Entdeckung pharmakologischer Wirkstoffe bildet. Aus dieser Überzeugung heraus gründete Eigen 1993 mit sechs weiteren Wissenschaftlern Evotec BioSystems, zu dem er nicht nur Kapital, sondern auch Patente und von ihm entwickelte Maschinen beisteuerte. Das Unternehmen gehört heute zu den erfolgreichsten des TecDax und hat außer seinem Hauptsitz in Hamburg, dem Manfred Eigen Campus, 17 Standorte in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich und den USA.
Evotec hat es sich zur Aufgabe gemacht, hochwirksame Therapeutika zu entwickeln und sie Patientinnen und Patienten, die sie benötigen, weltweit zur Verfügung zu stellen. Evotec hat sich als globales Plattformunternehmen etabliert, das seine Plattform sowohl für die eigene Forschung als auch für die Forschung mit Partnern nutzt und eine einzigartige Kombination innovativer Technologien für die Entdeckung und Entwicklung erstklassiger und bester pharmazeutischer Produkte einsetzt.
Ihrer Gründungsidee entsprechend, liegt die Kernkompetenz von Evotec in den frühen Phasen der Wirkstoffforschung und -entwicklung. Diese Phasen überspannen als Brücke zwischen akademischer und industrieller Forschung immerhin einen Zeitraum von bis zu sechs Jahren – von der Validierung eines neuen Angriffspunktes (Target) für ein Arzneimittel über die biochemische Optimierung des daran bindenden Wirkstoffes bis hin zu dessen Erprobung in präklinischen Krankheitsmodellen. Evotec hat diesen Brückenschlag bisher für zahlreiche Partner in Wirtschaft und Wissenschaft vorgenommen. Zu seinen Kunden gehören alle Top-20-Pharma- und Hunderte von Biotechnologie-Unternehmen, sowie akademische Einrichtungen und namhafte Institutionen des Gesundheitswesens.
Evotecs Strategie zielt darauf ab, Krankheitsrelevanz auf molekularer Ebene so früh und patientenspezifisch wie möglich zu erfassen. Dieser Ansatz soll bereits in der frühen Entwicklung Erkenntnisse über die Wirksamkeit und Sicherheit einer Substanz liefern – und nicht erst in fortgeschrittenen klinischen Studien, in denen das Scheitern eines Entwicklungskandidaten äußerst kostspielig ist. Zu diesem Zweck entwickelt Evotec innovative Technologie-Plattformen. Ein herausragendes Beispiel dafür ist ihre Plattform für das Wirkstoffscreening mit induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSC). Sie werden aus patienteneigenen Körperzellen gewonnen und können in eine Vielzahl von krankheitsrelevanten Zellen verwandelt werden – in Nervenzellen zum Beispiel, um im Labor die molekularen Muster neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson zu simulieren. Evotec nimmt bei dieser Anwendung der iPSC-Technologie eine weltweit führende Rolle ein. Mit ihr bietet das Unternehmen präklinische Modelle, die eine Krankheit schon in der Petrischale imitieren und dadurch die Wirkung einer Substanz am Patienten vorhersagen können. Sie ist aber nur eine von vielen vollintegrierten Technologieplattformen, mit denen das Unternehmen seinen Partnern dabei hilft, den Forschungsprozess effizienter zu gestalten. In ihre Präzisionsmedizin-Plattformen bezieht Evotec immer stärker datengetriebene digitale Verfahren ein.
2019 wurde die 1999 in Frankfurt erstmals notierte Evotec AG in die europäische Gesellschaft Evotec SE umgewandelt. Im selben Jahr trat sie durch den Erwerb des US-Unternehmens Just Biotherapeutics ins Biologika-Geschäft ein. Seit November 2021 ist Evotec an der US-Börse NASDAQ gelistet. Evotecs Geschäftsmodell, sich als bevorzugter Partner für die Translation zu profilieren, hat auch deshalb wachsenden Erfolg, weil es die größer werdende Lücke zwischen Akademia und Industrie schließt. Je mehr nämlich Big Pharma seine F-und-E-Aktivitäten auslagert, desto schwieriger wird es für akademische Forscher, dort kompetente Ansprechpartner für die Validierung ihrer Forschungsergebnisse zu finden. Sie finden sie nun am ehesten bei Evotec. Mit seinen mehr als 4500 Mitarbeitern erwirtschaftete das Unternehmen 2021 einen Umsatz von 618 Millionen Euro, 23 Prozent mehr als im Vorjahr. Ein Viertel davon entfällt auf die drei größten Kunden Bristol Myers Squibb, Merck und Sanofi. 97 Partner von Evotec trugen 2021 jeweils mehr als eine Million Euro zum Umsatz bei.
Ihrer Gründungsidee entsprechend, liegt die Kernkompetenz von Evotec in den frühen Phasen der Wirkstoffforschung und -entwicklung.
Redaktion: Dr. Claudia Englbrecht englbrecht@biodeutschland.org, Joachim Pietzsch j.pietzsch@wissenswort.com