Innovationspreis 2020 der BioRegionen in Deutschland

Der Innovationspreis der BioRegionen Deutschlands zeichnet angewandte Forschung der Bereiche Pflanzenschutz, Alzheimer sowie nano-DNA-Schalter aus

Zum 13. Mal verleiht der Arbeitskreis der BioRegionen Deutschlands den Innovationspreis, diesmal unter erschwerten Bedingungen, da ohne Live-Prämierung auf den Deutschen Biotechnologietagen, die 2020 Corona-bedingt leider ausfallen mussten. Auf Grund der zahlreichen hervorragenden Einsendungen aus dem ganzen Bundesgebiet hat sich der Arbeitskreis jedoch entschlossen, auch 2020 herausragende Ideen und Patente mit hohem wirtschaftlichem Potenzial aus den Lebenswissenschaften zu prämieren. Die drei gleichwertigen, mit je 2000 Euro dotierten Preise gehen an Wissenschaftlerinnen aus Tübingen, Jülich und Garching (b. München) und sind in ihrer thematischen Diversität zugleich ein Beispiel für die große Bandbreite an innovativer Forschungstätigkeit in Deutschlands Life Sciences.

Einer der Gewinner ist das Projekt „Biogener Zucker als nachhaltiges Herbizid“, das unter der Leitung von Prof. Dr. Klaus Harter weiterentwickelt werden soll. Ein natürlich vorkommender Zucker, isoliert aus Cyanobakterien, wurde von der Universität Tübingen patentiert. Er soll in den nächsten drei Jahren als Ersatz für das kurz vor dem europaweiten Verbot stehende Totalherbizid Glyphosat zur Marktreife entwickelt und an Unternehmen des Pflanzenschutzsektors lizensiert werden.

Um einen Wirkstoff zur Auflösung toxischer Prion-Partikel bei neurodegenerativen Krankheiten geht es beim zweiten Preisträger. Dieses „Anti-Prionicum“ zeigt zuverlässige Wirksamkeit in vier verschiedenen Alzheimer-Tiermodellen und geht das Problem der Eiweißablagerung an der Wurzel an. „Und zwar im Gegensatz zur kompletten Konkurrenz auch unter nicht-präventiven Bedingungen – und dann sogar immer mit einer Verbesserung (!) der Kognition“, so Prof. Dr. Dieter Willbold, der Erfinder vom Forschungszentrum Jülich.

Zudem wurde das Projekt „Conditionally switchable nanostructure“ ausgezeichnet, das von dem Team Dr. Jonas Funke, Dr. Klaus Wagenbauer, Dr. Benjamin Kick und ihrem Mentor Prof. Dr. Hendrik Dietz an der TU München bearbeitet wird. Hierbei wird die auf DNA-Origami beruhende, patentierte LOGIBODY-Technologie eingesetzt, um bispezifische Antikörper herzustellen, die Immunzellen durch einen logisch kontrollierten Schalter nur dann aktivieren, wenn die korrekte Zielzelle erkannt wurde. Damit sollen hoch wirksame Therapien mit niedriger Toxizität – also unerwünschten Nebenwirkungen - erreicht werden.

„Für die Gewinner ist heute ein glücklicher Tag und Preisträger in einem bundesweiten Innovationswettbewerb zu werden, ist schon ein bemerkenswerter Erfolg – Gratulation! Natürlich wäre ein Live-Event mit Bühne und Publikum noch etwas ganz anderes, aber so sind nun einmal die Zeiten. Umso mehr dankt der AK BioRegionen den Sponsoren, dass sie uns auch in virtuellen Sphären treu geblieben sind und somit die Preisträger wirklich etwas mit nach Hause nehmen können.“, sagt Dr. Georg Kääb, Sprecher des Arbeitskreises der BioRegionen in Deutschland.

Hintergrund zu den drei Gewinnerprojekten:

„Conditionally switchable nanostructure“, Team um Dr. Jonas Funke, TU München Garching

Eine große Herausforderung in der Entwicklung von bispezifischen Antikörpern besteht darin, das Immunsystem kontrolliert zu aktivieren, um einerseits eine effiziente Bekämpfung von Tumorzellen zu gewährleisten, aber andererseits eine unkontrollierte Überstimulation des Immunsystems zu vermeiden. Problematisch ist hierbei, dass bei herkömmlichen bispezifischen Antikörpern die immunaktivierende Bindestelle immer aktiv ist und dass es zu on-target off-tumor Aktivitäten kommt, wenn die Zielantigene auch auf gesunden Zellen vorkommen. Diese Probleme können gelöst werden, indem die Bindung und Aktivierung der Immunzellen über einen Schalter logisch kontrolliert wird, der das Therapeutikum nur dann aktiviert, wenn die korrekte Zielzelle erkannt wurde.
Wir können basierend auf der DNA-Nanofabrikation eine schaltbare Aktivierung mithilfe der patentierten LOGIBODY Trägerstruktur erreichen, indem nur die tumor-spezifische Bindedomäne permanent zugänglich ist, während die immunaktivierende Bindedomäne erst durch die erfolgreiche Bindung an das Ziel zugänglich wird. Ferner ermöglicht die LOGIBODY-Technologie, dass eine Schaltung nur bei höchst tumorspezifischen Antigenkombinationen stattfindet. Damit sollen hoch wirksame Therapien mit niedriger Toxizität erreicht werden.

Das Erfinderteam, bestehend aus Herr Wagenbauer, Herr Kick und Herr Funke, sowie ihrem Mentor Prof. Hendrik Dietz, strebt eine Verwertung in Form einer Ausgründung nach der Validierung im Mausmodell an. Dabei sollen in einem B2B-Modell Co-Entwicklungen mit Pharmaunternehmen für unterschiedliche Indikationen durchgeführt werden. Die Ausgründung verschaltet dabei neuartige Antikörperkombinationen für verschiedenen Indikationen auf der LOGIBODY Plattform und erhält dafür Meilensteinzahlungen sowie Lizenzgebühren. Die Problemstellung und unseren Lösungsansatz konnten wir bereits durch umfangreiche Gespräche mit verschiedenen Pharmaunternehmen validieren, sodass wir sehr gute Chancen für den angestrebten Verwertungsweg sehen.

Durch unsere umfangreichen und vielversprechenden in vitro Analysen ist der nächste Schritt, die Wirksamkeit der LOGIBODY Technologie im Mausmodell zu zeigen. Neben der Wirksamkeit selbst, wollen wir natürlich auch die Wirkstoffverteilung, den Verbleib im Körper und die Immunogenität genauer untersuchen. Zu diesem Zweck haben wir bereits Partner, mit denen wir diese Untersuchungen durchführen.
Dennoch sind wir zum einen auf der Suche nach Partnern aus der Pharmaindustrie mit denen wir erste Kooperationsprojekte starten wollen und zum anderen nach biotech-begeisterten Wissenschaftlern, die unser Team verstärken können.

„Alzheimer-Therapie durch Aβ-Oligomer eliminierende D-Peptide“, Team um Prof. Dr. Dieter Willbold, Forschungszentrum Jülich

Es wird zwar weitgehend anerkannt, dass sich die toxischen Spezies der verschiedenen Proteinfehlfaltungskrankheiten Prion-ähnlich vermehren und wirken, aber es werden keine Konsequenzen für die Wirkstoffentwicklung gezogen. Stattdessen wurden jahrzehntelang Wirkstoffkandidaten entwickelt, die den Substratnachschub für die Prion-Vermehrung um 20 bis 40 % reduzieren sollten (beta- und gamma-Sekretase-Inhibitoren) oder Antikörper, die verschiede Abeta-Spezies erkennen. Dadurch werden aber die erkannten Spezies weder direkt zerstört, noch kann man damit ein selbst-replizierendes Prion, das aus körpereigenen Bausteinen besteht, effizient bekämpfen. Ziel unserer anti-prionischen Strategie ist es, toxische Prion-ähnliche Protein-Verbünde direkt zu disassemblieren und damit zu zerstören. Das von uns entwickelte erste Anti-Prionicum hat in vitro und in vivo Target Engagement gezeigt und war erfolgreich in vier verschiedenen Alzheimer-Tiermodellen in vier verschiedenen Laboratorien. Dabei zeigte sich der Behandlungserfolg immer in einer Verbesserung(!) der Kognition statt nur einer Verlangsamung des kognitiven Verfalls, wie es bisher von den anderen Wirkstoffkandidaten - mit wenig Erfolg - angestrebt wird. In einer Phase I Studie in gesunden Probanden zeigte der Wirkstoffkandidat hohe Sicherheit und gute Verträglichkeit. Selbst eine einmalige orale Applikation erzeugte Wirkstoffwerte im Blut, wie sie auch in den präklinischen Proof-of-Concept (PoC)-Studien gemessen wurden. Die anti-prionische Strategie ist prinzipiell geeignet alle Proteinfehlfaltungskrankheiten, wie z.B. Alzheimer, Parkinson, ALS, Huntington, ursächlich zu behandeln.

Nach erfolgreicher Phase II im Patienten sind Zulassungsstudien (Phase III) für die Zulassung des Wirkstoffes als Medikament erforderlich. Ob dies durch Investment, Partnering oder Börsengang, möglicherweise auch eine Kombination davon, erreicht wird, entzieht sich meinen hellseherischen Fähigkeiten. Ich würde einen Weg bevorzugen, der uns möglichst zügig die nächsten Schritte realisieren lässt.

Nächster Schritt ist der Proof-of-Concept (PoC) im Patienten (Klinische Phase II Studie). Dafür sind 13 Mio. Euro und drei Jahre Zeit nötig. Genau am Investment oder einem passenden Pharma-Partner fehlt es noch.

„Biogener Zucker als nachhaltiges Herbizid“, Team um Prof. Dr. Klaus Harter, Universität Tübingen

Unkrautvernichtung ist derzeit an vielen Stellen wie Landwirtschaft, Gartenbau oder bei der Bahn noch unumgänglich. Den neuartigen Ansatz verdanken wir der genauen Beobachtung unserer Kollegen aus der Mikrobiologie, die festgestellt haben, dass in der Umgebung von Cyanobakterien andere Organismen, die Photosynthese betreiben, nicht mehr richtig wachsen. Das haben sie sich dann in Kooperation mit Kollegen/Innen der Organischen Chemie genauer angeschaut und festgestellt, dass ein durch die Cyanobaktieren hergestellter Zucker dafür verantwortlich ist. Er wirkt – analog zum bekannten und kurz vor einem weltweiten Verbot stehenden Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat – auf den Shikimatweg, einen für Pflanzen unverzichtbaren Stoffwechselweg. Diesen Zucker haben die Kollegen/Innen unter dem Namen 7dSh patentiert.

Für das Zuckermolekül ist ein rascher mikrobieller Abbau und geringe Ökotoxizität zu erwarten, die sich in ersten Tests bereits belegen ließ. Somit wäre eine punktgenaue und zeitlich limitierte Wirkung von 7dSh realisierbar, die keine Schäden in den Ökosystemen und eine breitere öffentliche Akzeptanz erwarten lässt. Das Interesse der Agrar- und Landwirtschaft sowie anderer Anwender ist daher groß. Aber derzeit sind noch einige Fragen zu klären, um den Zucker 7dSh attraktiv für Unternehmen zu machen: die Synthese ist noch sehr teuer, daher werden wir die Produktion noch optimieren müssen. Zudem wollen wir in einer universitätsübergreifenden Zusammenarbeit unter Begleitung eines Partners aus der Agrarwirtschaft klären, ob die vielversprechenden Ergebnisse aus dem Labor auf die Anwendung im Freiland übertragen werden können und ob der Zucker ggf. noch so „verpackt“ werden muss, dass er beispielsweise lange genug im Boden überdauert oder auf Blättern haftet, um eindringen und seine Wirkung entfalten zu können. Hierzu wurde ein Förderantrag beim BMBF gestellt.  

Wenn die nächsten Schritte wie eben beschrieben gelingen, soll das neue, biogene Herbizid an Unternehmen lizensiert werden. Eine Ausgründung zur eigenen Produktion und Vermarktung ist gegenwärtig nicht geplant.