Beispiele regionaler Life Science Acceleratoren
Die hier exemplarisch aufgeführten „Accelerator-Modelle“ in den Life Sciences fallen grob gesehen in 3 Kategorien: öffentliche Acceleratoren, privatwirtschaftliche Acceleratoren (Corporate Accelerators), und die so genannten virtuellen Acceleratoren – wie immer gibt es auch hier Mischformen der manchmal nur scheinbar voneinander zu trennenden Betriebs- und Betreibermodelle.
Berlin kann sich mit über 60 Acceleratoren wohl als Hauptstadt dieser Einrichtungen fühlen. Im Gesundheitsbereich selbst dominieren unter den rund 10 Angeboten die „Corporates“, sei es als Acceleratoren oder als Inkubatoren (dann modern als „Hub“ bezeichnet). Hervorzuheben ist der erste Corporate Health Accelerator in Deutschland, der CoLaborator von BAYER wobei dieser fast einem klassischen Gründerzentrum entspricht. Ergänzt wurde er alsbald durch den Grants4Apps-Accelerator (ebenfalls von BAYER betrieben, mit den zusätzlichen Spezialprogrammen Grants4Targets und Grants4Tech)), der mehr auf die konkrete Begleitung setzt und mit einem 3-monatigen Programm aufwartet, das neben einer finanziellen Grundausstattung u.a. intensives Coaching durch erfahrenes (Bayer-)Führungspersonal beinhaltet. Weitere Acceleratoren von u.a. Pfizer, B.Braun Melsungen, diversen Privatkliniken sowie unterschiedlichen Konsortien aus Pharma, Kliniken, Krankenkassen sowie Legal/Consulting folgen in den Fußstapfen von Bayer. Auch ein ganz spezifischer nur auf „Augenerkrankungs-Innovationen“ gerichteter Accelerator ist in Berlin zu finden. So vielfältig diese Landschaft in der Hauptstadt ist, so unterschiedlich sind hierbei auch die Modelle der einzelnen Acceleratoren, von der Dauer eines Trainingsprogramms, der finanziellen Unterstützung eines start-ups, das in das Programm aufgenommen wurde, über die Frage, ob der „Accelerator“ im Gegenzug Firmenanteile beansprucht oder nicht, welche Größe und Kompetenztiefe und -breite die Mentoren zur Begleitung des start-ups mitbringen und abdecken bis hin zur Breite oder Spezifität der abgedeckten Innovations-Felder. Alle Berliner Acceleratoren im Gesundheitsbereich sind privatwirtschaftlich betrieben.
Zudem bietet die lokale Cluster-Organisation Berlin-Partner neben vielen traditionellen Wirtschaftsförderungsangeboten u.a. mit der „Start-Alliance“ einen internationalen Austausch und bringt globale start-ups in die Berliner Community zum Austausch und gegenseitigen Lernen von Länderspezifika, die für einen Gründer überlebenswichtig sein können.
In Darmstadt, Hessen, verfolgt der Merck-Accelerator Ähnliches und lädt seit 2015 nationale und internationale Startups aus den Bereichen Healthcare, Life Science, Performance Materials sowie aus der IT-Branche zu einem 12-Wochen-Programm in die Konzernzentrale und coacht die Start-up-Projekte in räumlicher Nähe zu eigenen Merck-Innovationsprojekten im dortigen Innovation-Center.
Im niedersächsischen Göttingen hat gerade zum Jahresbeginn 2018 der erste Life Science Accelerator (SNIC Life Science Accelerator) seine Arbeit aufgenommen. Dieser wird in einer public-privat-partnership zwischen der Gesellschaft für Stadtentwicklung Göttingen (GWG), einer Anschubfinanzierung des Landes Niedersachsen sowie diversen Sparkassen der Stadt sowie umliegenden Kommunen als SüdniedersachsenInnovationsCampus (SNIC) betrieben. Er soll ganz ausdrücklich die „Lücke“ zwischen dem SNIC-Pre-Inkubator und den örtlichen Gründerzentren schließen. In einem 6-monatigen Programm werden die start-up u.a. mit Mentoren aus der Industrie begleitet und gecoacht, Kosten für Büronutzung und Beratung werden nicht erhoben. Die Auswahl der Teams erfolgt durch ein „AcceleRAT“ genanntes Gremium.
In Nordrhein-Westfalen wird die Acceleration derzeit u.a. in einem virtuellen „Business Angel Circle“ betrieben, der die rund 25 Gründer- und Technologiezentren der LifeSciences verbindet. 3-4 mal jährlich manifestiert sich dieser „Circle“ in realen Veranstaltungen, auf denen Gründer und junge Unternehmen auf Experten aus der Finanzwelt treffen und die Plattform für den intensiven und vertraulichen Austausch nutzen können. Angedockt an das EIT Health Investors Network hat der BIO.NRW Business Angel Circle mit dem gleichnamigen jährlichen Kongress in Düsseldorf ein international sichtbares Format etablieren können.
Nordrhein-Westfalen ist zudem Heimat des „Life Science Inkubators“ (LSI) in Bonn (mit einer Dependance auch in Dresden aktiv), der – nomen est omen – den Fokus auf die mehrjährige Betreuung (und finanzielle Ausstattung) von ausgewählten Projektgruppen zur Inkubation legt und keine bereits gegründeten Unternehmen unterstützt. Nach erfolgreicher Inkubation steht für eine Ausgründung mit dem LSI Pre-Seed-Fonds ein möglicher Co-Investor zur Verfügung, der eine Anschlussfinanzierung im Konsortium mit weiteren Finanzierungseinrichtungen organisieren kann. Hierbei kann unter anderem auch der ebenfalls in Bonn angesiedelte (aber auch über NRW, ja teilweise Deutschland, hinaus aktive) HighTech-Gründerfonds ins Spiel kommen, der sich vom Co-Investor in letzter Zeit auch zum Lead-Investor weiterentwickelt hat und selbst mit den „HTGF-Scouts“ versucht früher und aktiver ins Gründergeschehen einzugreifen.
In Baden-Württemberg überspannt der Life Science Accelerator Baden-Württemberg alle Standorte des Landes - nach der einführenden Beschreibung auch über alle 3 Innovationssegmente Scouting, Inkubation und zu guter Letzt auch Acceleration. Das Programm hält drei Module für Gründer und Gründungsvorhaben in unterschiedlichen Reifegraden bereit. Diese Module unterstützen Gründer bei der Ideenfindung und -formulierung, der Validierung des Geschäftsmodells und der Finanzierungsfähigkeit. Die Laufzeit dieser Module bewegt sich dabei von 100 Tagen bis zu einem Jahr. Der Medical Innovation Explorer an der Universität Tübingen bietet als Modul 1 einen Workshop, einen Ideenwettbewerb und einen Open MedTech Innovation Day und läuft über 2 Monate hinweg. Im Modul 2 geht es dann für 100 Tage in die MedTech Startup School, die wiederum in Tübingen, durchgeführt aber durch eine Roadshow, die Ideenträger des ganzen Landes aus vielen weiteren Städten einbezieht. Auch Teilnehmer ohne „eigene“ Idee können zugelassen werden und sich auf eine Projektauswahl bewerben. Ein ganzes Jahr Zeit mitbringen muss, wer es in das Modul 3, den Startup Booster, schaffen will. Dieser richtet sich an Gründer-Teams mit IP und reifem Geschäftsmodell in der (Vor-)Gründungsphase. In Fortbildungsveranstaltungen in Heidelberg und Mannheim wird Grundlegendes u.a. zu den Themen Investorenansprache, klinische Produktentwicklung sowie Finanzierung wie auch ein Expertennetzwerk vermittelt, das bei Fragen zu Marktdaten, Patenten, Zertifizierungen u.a.m. intensiv zu Rate gezogen werden kann.
Die gesamte baden-württembergische Accelerator-Programmatik fußt auf Initiativen und Kooperationen von u.a. diversen lokalen Wirtschaftsfördereinrichtungen, der BioRegio STERN, dem Technologiepark Heidelberg, den Universitäten und Hochschulen, mit Unterstützung des Landes-Wirtschaftsministeriums sowie weiteren Mitteln des Landes wie auch aus dem EU-Sozialfonds (ESF). Zusätzlich wird mit der speziellen „Junge-Innovatoren-Förderung“ das Gründungsgeschehen aus den Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen gezielt angekurbelt. Hierbei werden insbesondere Personal- und Sachmittelausgaben sowie die Nutzungsmöglichkeit von akademischen Infrastrukturen (teil-)finanziert. Zudem gibt es neuerdings den aus Heidelberg heraus organisierten, europaweiten startup-Wettbewerb „European Health Catapult“ in den Kategorien Biotech, Medtech und Digital Health, der von BioRN mit der europäischen Health-Axis sowie dem EIT-Health-Konsortium entwickelt wurde und durchgeführt wird.
In der Bodenseeregion rings um Konstanz haben die regionalen Clustermanager von BioLago gemeinsam mit Partnern ein breites Angebot für Gründer entwickelt, das Anleihen beim Schiffbau nimmt – und so heißt ein Element „Gründerschiff“, man kann dort den Stapellauf (die Gründung) vorbereiten und findet viel Unterstützung in der seit 2018 neu angebotenen Startup-School. Mit dem grenzüberschreitenden Business-Angel-Netzwerk (mit starker Beteiligung aus der Schweiz) und Veranstaltungsformaten zum Austausch (Startup-Lounge Bodensee) wird die Jungfernfahrt dieses Gründungbootes von kompetenten Lotsen begleitet.
Das in München von der Clusterorganisation BioM für ganz Bayern entwickelte „inQLab-Accelerator-Programm“ versteht sich als umfassendes Angebot für Gründungswillige, Gründer und junge Unternehmen. Neben Elementen zu Scouting und Inkubation, die bereits im Vorgründungsbereich ansetzen, hält der virtuelle Accelerator differenzierte Unterstützungsangebote für Gründerteams in allen Stadien der Gründung (z. B. Mentorenprogramm, BootCamp, Pitch-Training, Investorennetzwerk) bereit. Mit dem Vorgründungswettbewerb m4 Award können alle 2 Jahre bis zu 5 bayerische Gründungsvorhaben jeweils für 2 Jahre mit rund 500.000€ eine Validierungsphase absolvieren, die unter Einbeziehung des großen Expertennetzwerks intensiv beratend begleitet wird. Bislang konnten aus den bisher 13 Preisträgervorhaben des m4 Award 4 neue Unternehmen gegründet werden. Gleichzeitig erhält BioM durch die eingehenden (in den letzten Jahren jeweils rund 50) Bewerbungen einen spezifischen Einblick in die Ideenlandschaft der akademischen Einrichtungen (Grundlage von weiteren Scouting-Aktivitäten). Neben der Vorgründungsförderung können Gründerteams mittels der Module des bayernweit angebotenen und in München durchgeführten inQLab-Accelerators ihre Geschäftsidee schärfen, ein tragfähiges Geschäftskonzept entwickeln, das Team etablieren, wichtige neue Netzwerke erschließen und Investoren finden. Auf unterschiedlichsten Veranstaltungsformaten (vom Gründer-Stammtisch – der Entrepreneur-Lounge - bis hin zum 2-tägigen BioEntrepreneurship Summit), die zum Teil gemeinsam mit dem EIT-Health Konsortium und weiteren europäischen Gründerhochburgen angeboten werden, kann das theoretische Wissen der Programm-Module sofort in der Praxis (etwa als Pitch vor dem BioAngels-Network) angewandt werden.
Der Sprecherkreis des AK BioRegio: Hinrich Habeck, Maike Rochon, André Hoffmann, gemeinsam mit Georg Kääb
Einen aktuellen Beitrag des AK BioRegio zum Thema finden Sie auch im Deutschen Biotechnologie-Report 2018 der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young unter dem Titel „Beschleunigung erwünscht: Best Practice für Acceleratoren in den Life Sciences in Deutschland“. Diesen finden unter www.ey.com/Publication/vwLUAssets/ey-biotechnologie-report-2018/$FILE/ey-biotechnologie-report-2018.pdf