Multidisziplinär und frei auf Wachstumskurs

Am 24. Juli 1989 nahm das Fachblatt “Cytometry“ einen Artikel zur Publikation an, der auf der Diplomarbeit seines Erstautors am Institut für Genetik der Universität Köln basierte. Einen guten Monat später, lange bevor das Paper 1990 veröffentlicht wurde, begann der frisch diplomierte Physiker seine Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen. Mit einem Startkapital von 10.000 D-Mark gründete er die Firma Miltenyi Biotec und bezog zusammen mit vier Mitarbeitern in seiner Heimatstadt Bergisch-Gladbach eine Baracke am Rande eines Waldstücks. Dort steht die Baracke noch heute, überragt von den Gebäuden des Hauptquartiers eines Weltunternehmens, das mit mehr als 4.500 Mitarbeitern 2022 einen Umsatz von 880 Millionen Euro erzielte, ein gutes Viertel mehr als im Vorjahr. 2023 soll der Umsatz erstmals über eine Milliarde schnellen. Dieses Wachstum hat Firmengründer Stefan Miltenyi von Anfang an selbst finanziert, indem er die ständig sprudelnden Gewinne stets aufs Neue investierte. Bis heute gehört ihm das Unternehmen zu 100 Prozent. Ein Börsengang kommt für ihn nicht in Frage.

Die Erfindung, auf der Stefan Miltenyi sein Unternehmen aufbaute, war wie alle großen Erfindungen verblüffend einleuchtend. Sie bezog sich auf einen Kernbereich biomedizinischer Forschung, in dem immenser Verbesserungsbedarf bestand: Auf die Abtrennung derjenigen Zellen, die untersucht werden sollen, aus komplexen Zellgemischen wie beispielsweise einer Blutprobe. Die vorherrschende fluoreszenzbasierte Durchflusszytometrie war anfällig für Fehler und relativ langsam. Mit ihr konnten ungefähr 10 Millionen gewünschte Zellen pro Stunde isoliert werden. In seiner Diplomarbeit steigerte Miltenyi mit einem selbst konstruierten Gerät, das er Magnetic Activated Cell Sorter (MACS) nannte, diese Geschwindigkeit auf das 400-fache. Er verknüpfte winzige Magnetkügelchen mit Antikörpern, die ausschließlich an der Oberfläche der T-Lymphozyten andockten, die er aus einer Probe von Milzzellen gewinnen wollte. Dann ließ er die Probe durch eine Säule laufen, die in ein starkes Magnetfeld eingebettet war. Die markierten T-Lymphozyten blieben darin hängen, alle anderen Zellen wurden weggespült.

Erklärtes Ziel des Unternehmens ist es, schwerwiegende Erkrankungen zu heilen.

Miltenyis Produkte für die magnetaktivierte Zellsortierung waren vom Start weg ein Verkaufsschlager. Heute hat das Unternehmen MicroBeads für hunderte verschiedener Zellen im Angebot. Die Aussage, dass es damit den wissenschaftlichen Fortschritt vorantreibe und die klinische Versorgung verbessere, ist keine Übertreibung. Das integrierte Portfolio von Miltenyi Biotec, das sich im Laufe der Jahre auch durch Zukäufe vergrößert hat, umfasst mehr als 18.000 Produkte –  Instrumente und Reagenzien für die Probenvorbereitung, Zellseparation, Durchflusszytometrie, Zellkultur, molekulare Analyse und präklinische Bildgebungsverfahren.

Seit mehr als 30 Jahren spielt Miltenyi Biotec eine wichtige Rolle bei der Konzeption, Entwicklung, Herstellung und Integration von Produkten, die den Fortschritt in der biomedizinischen Forschung fördern und die Zell- und Gentherapie ermöglichen.

www.miltenyibiotec.com

Dass es den Weltmarkt für die Zellseparation dominiert, verspricht Miltenyi Biotec eine glänzende Zukunft. Denn angesichts des zunehmenden Erfolges von Zell- und Gentherapien hat dieser Markt ein enormes Wachstumspotential. Sein Volumen könnte sich Schätzungen zufolge innerhalb der nächsten fünf Jahre verdreifachen. Die MACS-Technologie ist besonders für die Bereitstellung von genmodifizierten Zellen für CAR-T-Zelltherapien von Bedeutung. In seinen CliniMacs Cell Factories® kann Miltenyi die extrem aufwändige Herstellung solcher Zellen auf einem einzigen Gerät automatisiert vornehmen. Hunderte von klinischen Studien in der Zell- und Gentherapie sind bereits auf Produkte von Miltenyi angewiesen. Bei so viel Engagement für die personalisierte Medizin war es naheliegend, mit der Gründung des Tochterunternehmens Miltenyi Biomedicine 2019 selbst in die Entwicklung von Zelltherapien einzusteigen. Der Schwerpunkt liegt auf der Behandlung bestimmter Blutkrebsarten. Am weitesten fortgeschritten ist die Entwicklung einer Tandem-Car-T-Therapie zur Behandlung von B-Zell-Lymphomen. Sie befindet sich in Phase II der klinischen Prüfung.

Erklärtes Ziel des Unternehmens ist es, dabei zu helfen, schwerwiegende Erkrankungen zu heilen. Selbstbestimmt und unabhängig von Investoreninteressen schafft Eigentümer Stefan Miltenyi dafür in seinem Unternehmen ein Arbeitsumfeld, das ausdrücklich den Pioniergeist fördert und multidisziplinäres Denken in den Mittelpunkt stellt. Nicht umsonst ist ein Viertel aller Miltenyi-Mitarbeiter in Forschung und Entwicklung beschäftigt.

Redaktion: Dr. Claudia Englbrecht englbrecht@biodeutschland.org, Joachim Pietzsch j.pietzsch@wissenswort.com