BIO Deutschland kritisiert nachträgliche Nutzenbewertung für „Orphan Drugs“

BIO Deutschland e. V, kritisiert, dass Arzneimittel für seltene Erkrankungen (sog. Orphan Drugs) nur bis zu einem Umsatz von 50 Mio. € von der Nutzenbewertung freigestellt werden. Denn alle diese Arzneimittel haben ihren Zusatznutzen bereits entsprechend der europäischen „Orphan Drug“-Verordnung nachgewiesen. Ein entsprechendes Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG) wurde am 11. November im Bundestag verabschiedet.

Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen wurde erst am 8. November im Gesundheitsausschuss des Bundestages abschließend beraten. Danach sollen „Orphan Drugs“ zwar grundsätzlich von der vorgesehenen erneuten nationalen Bewertung ihres Nutzens ausgenommen werden, müssen diesen aber nachträglich trotzdem nachweisen, wenn mit ihnen ein „GKV-Jahresumsatz“ von 50 Millionen Euro zu Apothekenverkaufspreisen (entspricht einem Nettoumsatz des Unternehmens zu Herstellerabgabepreisen von ca. 33 Mio. €, d. h. ohne Apotheken- und Großhandelsmargen, MwSt und Herstellerabgabe) überschritten wird und der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) den pharmazeutischen Unternehmer dazu auffordert.

„Der Nutzen ist unabhängig davon, ob ein Arzneimittel für seltene Leiden einen Jahresumsatz von 50 Mio. Euro hat oder nicht“ sagt Robert Schupp, Leiter der Arbeitsgruppe Gesundheitspolitik der BIO Deutschland. Es sei nicht ersichtlich, wie sich hieran allein dadurch etwas ändern solle, dass ein Arzneimittel nunmehr häufiger verkauft werde und deswegen einen höheren Umsatz erziele. „Nutzen hängt von der nachgewiesenen Wirksamkeit des Arzneimittels ab und nicht von seinem Umsatz“ fügte er hinzu.

Arzneimittel für seltene Erkrankungen erhalten den „Orphan Drug“-Status ohnehin nur, wenn sie entsprechend der europäischen Verordnung (EG) Nr. 141/2000 nachweisen, dass sie entweder im Vergleich zu verfügbaren Therapiealternativen einen signifikanten Nutzen haben oder dass noch keine zufriedenstellende Methode für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung des betreffenden Leidens zugelassen wurde. Dies wird vom „Committee for Orphan Medicinal Products (COMP)“ der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), also einem Gremium, in dem Fachleute aller Mitgliedstaaten, Patientenvertreter und Vertreter der medizinischen Wissenschaft sitzen, geprüft. Zudem durchlaufen „Orphan Drugs“ den gleichen Zulassungsprozess wie alle anderen Arzneimittel. Sie bedürfen der zentralen Zulassung durch die EMA, die anhand der vorgelegten und geforderten Unterlagen und Studien die erforderliche Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit des Arzneimittels prüft.

„Der ‚Orphan Drug’-Status wird streng geprüft, hier bleibt kein Raum für Missbrauch“, stellte Peter Heinrich, Vorstandsvorsitzender der BIO Deutschland, klar. Er betonte, dass die vorgesehene nachträgliche Nutzenbewertung bei Überschreitung der 50 Millionen Jahresumsatz Innovationen bremse. Denn diese Grenze bilde nicht nur eine sinnlose bürokratische Hürde, sondern richte Schaden an: Forschungsanreize werden geschwächt. „Leidtragende sind die betroffenen Patientinnen und Patienten, die mit einer seltenen Erkrankung auf innovative Arzneimittel angewiesen sind und bisher von der Förderung der Forschung in diesem Bereich profitierten“ ergänzte Schupp.

Die Behörden in Deutschland (G-BA und Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen - IQWIG) haben nach dem neuen Gesetzesentwurf drei Monate Zeit, auf Grundlage der exakt gleichen Daten, die bereits beim COMP und der EMA vorlagen, eine Nutzenbewertung zu erstellen. Eine von den Feststellungen des COMP und der EMA abweichende Entscheidung ist deshalb inhaltlich gar nicht möglich. An die Ergebnisse dieser Prüfungen von COMP und EMA ist der G-BA zudem rechtlich gebunden, abweichende Bewertungen sind damit rechtlich nicht möglich.

BIO Deutschland fordert daher, Arzneimittel für seltene Erkrankungen, die ihren Zusatznutzen bereits entsprechend den europäischen Vorgaben nachgewiesen haben, ohne Einschränkung und unabhängig vom Umsatz von der geplanten Nutzenbewertung zu befreien.

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