Gendiagnostikgesetz: Anhörung im Bundestag

Bei der Anhörung zum Gendiagnostikgesetz (GenDG) im Gesundheitsausschuss des Bundestags forderte BIO Deutschland dringende Verbesserungen am Regierungsentwurf. Dieser sei weder bürgerfreundlich, noch berücksichtige er den aktuellen Stand der Wissenschaften, betont Peter Heinrich, Vorstandssprecher der BIO Deutschland, und fügt hinzu: "Die Regierung ist aufgefordert, im Sinne der hiesigen Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der innovativen Unternehmen eine zukunftsweisendere und praktikablere Lösung anzustreben."

Zwar begrüßt der Verband in einer Stellungnahme, dass die Regierung mit diesem Entwurf die Grundlage dafür legen möchte, in Deutschland den Rahmen für genetische Untersuchungen zu setzen und eine Benachteiligung auf Grund genetischer Eigenschaften zu verhindern. Jedoch gebiete die Bandbreite der Fragestellungen und Informationen, die unter der Überschrift "genetische Untersuchungen" zusammenlaufen, nicht nur eine abgestufte Vorgehensweise bezüglich des Arztvorbehaltes, sondern auch eine wissensbasierte Unterscheidung zwischen diagnostischer und prädiktiver Untersuchungen, sagt Erwin Soutschek, Leiter der BIO Deutschland-Arbeitsgruppe "Diagnostik".

Zwei Aspekte machen die seriöse Unterscheidung zwischen der diagnostischen genetischen Untersuchung und der prädiktiven genetischen Untersuchung heute unmöglich. Zum Ersten gibt es heute bessere wissenschaftliche Erkenntnisse zum Zusammenhang von erblicher Veranlagung und dem Ausbruch einer Erkrankung. Zum Zweiten lassen die immer feiner werdenden diagnostischen Methoden die Bestimmung von Erkrankungen in einem immer früheren Stadium zu.

Zu Erstens: Es gibt nur sehr vereinzelt unheilbare Erkrankungen, bei denen eine genetische Veränderung zum hundertprozentigen Ausbruch einer Erkrankung zu einem späteren Zeitpunkt im Leben der/des Menschen führt. Das bekannteste Beispiel ist die Huntington-Erkrankung, die auf ein Erbmerkmal zurück zu führen ist. Sie führt im frühen Erwachsenenalter zunächst zu Bewegungsstörungen und psychischen Veränderungen und dann in wenigen Jahren über Demenz, Wahn und Lähmungen zum Tod. Diese ebenso seltene wie furchtbare Erkrankung diente in der Vergangenheit häufig als Modell für Überlegungen und Diskussionen über prädiktive genetische Untersuchungen. Neuere Erkenntnisse haben ergeben, dass für die meisten anderen genetisch bedingten Erkrankungen der Ausbruch nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden kann. Häufig erlaubt es sogar gerade das frühzeitige Wissen um die Veranlagung, den Ausbruch der Erkrankung weitgehend zu verhindern. Als Beispiele seien hier Stoffwechselerkrankungen wie die Phenylketonurie oder die Ahornsirupkrankheit (Leuzinose) erwähnt. Hinzu kommt, dass auch die meisten häufigeren Erkrankungen eine genetische Komponente haben. Sie trägt zusätzlich zu äußeren Einflüssen und dem Verhalten der Patientinnen und Patienten zum Ausbruch der Erkrankung bei. Die Volkskrankheiten Diabetes und Herzkreislauferkrankungen sind bekannte Beispiele dafür.

Zu Zweitens: Mit dem medizinischen Fortschritt und mit den zunehmend empfindlichen Methoden der Diagnostik verschwimmt auch die Grenze zwischen Gesundheit und Krankheit immer mehr. Viele diagnostische Marker, die zur Früherkennung eingesetzt werden sind direkte Genprodukte, die in den Bezugsrahmen des Gesetzes fallen. Hier können sich sogar ausgewiesene Experten trefflich streiten, ob das Genprodukt nur Vorbote ("Prädikator") oder schon Symptom der genetisch bedingten Erkrankung ist. Da der exakte Zeitpunkt des Ausbruchs einer Krankheit nicht mehr exakt zu beschreiben ist, ist die Unterscheidung zwischen bestehender und zukünftiger Erkrankung und damit auch die Unterscheidung zwischen diagnostischer, genetischer und prädiktiver genetischer Untersuchung nicht mehr möglich. Zudem sind auch die meisten klassischen (also nicht gendiagnostischen) diagnostischen Marker prädiktiv.

BIO Deutschland bringt für ein bürgerfreundlicheres GenDG unter anderem folgende beiden Änderungsvorschläge ein:

Zum einen soll der wachsende Bedarf besser gedeckt werden durch Zulassung weiterer geeigneter (indikationsbezogener) Facharztgruppen, die sich durch Fortbildung zusätzlich qualifizieren können. Wenige hundert auf genetische Beratung spezialisierte Ärzte und Humangenetiker können dem Anspruch von 80 Millionen Menschen in Deutschland auf qualifizierte Beratung bei individuellen medizinischen Fragestellungen nicht gerecht werden.

Zum anderen sollen Abstammungsuntersuchungen und der so genannte Vaterschaftstest nicht unter das Gendiagnostikgesetz fallen. Die DNA-Analyse zum Nachweis der Abstammung hat nämlich nicht die Bestimmung von individuellen Erbanlagen zum Ziel. Sie dient ebenso wie die noch heute eingesetzte Blutgruppenanalyse der Bestimmung der Wahrscheinlichkeit der biologischen Elternschaft. Die vorgeschlagene Regelung bedeutet eine unnötige Einmischung des Staates, bringt keine Verbesserung für die Beteiligten und kann darum ersatzlos entfallen.

Das Positionspapier kann im Internet unter "Positionspapiere" eingesehen werden.

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