Positionen der BIO Deutschland zum Thema Schutzrechte und techn. Verträge

Botschaften zur Einführung einer Neuheitsschonfrist in Europa

Kompetitive innovationsfördernde Rahmenbedingungen sind für den zukünftigen Erfolg des Standorts Deutschland entscheidend. Gerade auf EU-Ebene brauchen wir ein wettbewerbsfähiges Patentrecht, welches es ermöglicht, dass Fortschritte in Forschung und Technik gerade in den Schlüsseltechnologien - wie der Biotechnologie - schnell in Marktvorteile der Unternehmen umgesetzt werden. Für die Einführung einer Neuheitsschonfrist sprechen im Wesentlichen folgende Argumente:

  • Harmonisierung des internationalen Patentrechts. Da viele Staaten, darunter auch solche mit einer bedeutenden Wirtschaft, z.B. Kanada, Japan, und USA, Schonfristregelungen in ihrem Patentsystem haben, kann eine Erfindung trotz Vorverlautbarung dort noch geschützt werden, während dies in Europa bzw. in den Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich ist. Dieser Unterschied führt dazu, dass innovative Unternehmen ebenso wie akademische Einrichtungen in Europa die Weiterentwicklung ihrer Ideen nicht verfolgen, weil eine sinnvolle wirtschaftliche Verwertung nach Vorveröffentlichung nicht möglich erscheint.
  • Sicherung von Ergebnissen der Grundlagenforschung für die Anwendung. Gerade in Deutschland, wo eine starke Grundlagenforschung die Basis für eine Vielzahl von Ideen schafft, bedarf es eines umfassenden Patentschutzes der den wirtschaftlichen Einsatz der innovativen Unternehmen, die diese Ideen zur Marktreife bringen, widerspiegelt. Für den Bereich der Kooperationen zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen ist die Einführung einer harmonisierten Neuheitsschonfrist im Patentrecht auf internationaler Ebene unumgänglich.
  • Verbesserung des Technologietransfers von Forschungseinrichtungen in die Industrie. Die Neuheitsschonfrist ist ein wirksames Mittel zum Interessensausgleich zwischen wissenschaftlicher Publikation und substantiellem Schutz von Erfindungen. Um den Veröffentlichungserfolg nicht zu gefährden, verfolgen Wissenschaftler traditionell die Strategie der raschen Veröffentlichung. Die Verbreitung von Forschungsergebnissen durch Publikation ohne vorherige Patentanmeldung verhindert eine sinnvolle wirtschaftliche Verwertung der Forschungsergebnisse. Bei Befolgung des formalen Weges und damit der vorherigen Anmeldung des Patentes besteht hingegen die Gefahr der Publikationsverzögerung.
  • Neuere Rechtsentwicklungen im Bereich der klinischen Prüfungen erfordern die frühzeitige Offenlegung von Daten, die eine spätere effektive Patentierung der Erfindung unmöglich machen. In den Bereichen Pharma und Biotechnologie sind vielfach neue Erfindungen noch nicht vollständig durch geistige Schutzrechte abgesichert, da zunächst der Ausgang klinischer Studien mit dem dabei entstehenden Erkenntnisgewinn abgewartet werden muss, weil vorher keine patentfähigen Daten vorliegen ohne die ein umfassender Schutz, z.B. für eine neue Indikation, nicht gewährleistet werden kann.
  • Verbesserte Patentanmeldungsmöglichkeiten aus Lehr- und Forschungstätigkeit an Hochschulen. Nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz kann der Erfinder seine Erfindung im Rahmen seiner Lehr- und Forschungstätigkeit offenbaren, wenn er dies dem Dienstherrn (Hochschule) rechtzeitig, in der Regel zwei Monate zuvor, angezeigt hat. Eine sinnvolle Prüfung der Verwertbarkeit einer Patentanmeldung ist in dieser Frist kaum möglich. Damit besteht eine erhebliche Gefahr, dass die Hochschulen mit ihren knappen Budgets unter Zeitdruck sich im Zweifel gegen die Einreichung einer Patentanmeldung entscheiden und wertvolle Erfindungen nicht durch ein Patent geschützt werden.

BIO Deutschland fordert daher die Einführung einer Neuheitsschonfrist mit folgenden Eckdaten:

  • Dauer: 12 Monate
  • Umfang: nicht neuheitsschädlich ist eine (jede) Offenbarung einer Erfindung, die unmittelbar oder mittelbar auf den Anmelder oder seinen Rechtsvorgänger zurückzuführen ist
  • Anwendungsgebiet: Europäische Union bzw. die Mitgliedsstaaten des EPÜ

Botschaften zur Early Certainty - Initiatve des Europäischen Patentamtes

Der Branchenverband der Biotechnologieunternehmen, die Biotechnologie-Industrie-Organisation Deutschland e.V. (BIO Deutschland) begrüßt das Vorhaben des Europäischen Patentamtes (EPA), Patentprüfungsverfahren effizienter zu gestalten sowie die Rechtssicherheit für nicht am Prüfungsverfahren beteiligte Dritte zu erhöhen. Die derzeit diskutierte Verkürzung der Patentprüfungsverfahren auf zwölf Monate (Early Certainty in Examination) würde jedoch bedeuten, dass von den Patentprüferinnen und -prüfern beim EPA mehr Prüfungsleistung erbracht werden muss, um eine gleichbleibende Qualität bei der Patentprüfung sicher zu stellen.

Eine solche Verkürzung hätte zudem folgende Nachteile:

  • Die Verkürzung der Laufzeit des Patentverfahrens führt zu einer früheren Kostenbelastung bei den Anmeldern, da die Validierung in den einzelnen Ländern früher erfolgt. Bei Patentanmeldungen aus dem Bereich der Biotechnologie, die aufgrund ihrer Komplexität umfangreicher ausfallen, kommt es dadurch bereits in frühen Unternehmensphasen zu hohen Kosten.
  • Mehr Teilanmeldungen zur Sicherung spezifischer, noch nicht geprüfter Aspekte. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Technologietransfereinrichtungen sowie akademische Institutionen geben regelmäßig in frühen Entwicklungsphasen anmeldungsrelevante Daten nach außen, um Investoren und Partner mit an Bord zu holen. Um im Rahmen eines verkürzten Patentprüfungszeitraums die Möglichkeit beizubehalten, spezifische, nicht geprüfte Aspekte später weiter zu verfolgen, werden diese gezwungen mehr Teilanmeldungen durchzuführen, welche mit signifikant höheren Kosten verbunden sind.
  • Nachteile insbesondere für KMU aus forschungsintensiven und komplexen Branchen wie der Biotechnologie bei denen die meisten Projekte zum Zeitpunkt der Patentanmeldung noch in der frühen Phase der Erprobung stecken und oft noch nicht eindeutig ist, welcher Aspekt der Anmeldung die spätere Entwicklung genau abdeckt.

BIO Deutschland macht sich daher für eine effektive Patentprüfung ohne Benachteiligung einzelner stark und fordert

  • anstelle eines starren zwölfmonatigen Patentprüfungsverfahrens durch eine Early Certainty in Examination soll eine Verkürzung des Prüfungsverfahrens nur auf Antrag entweder von Seiten einer dritten Partei oder von Seiten des Anmelders erfolgen.

Sollte das EPA eine Early Certainty in Examination mit den benannten Eckdaten einführen, fordert BIO Deutschland

  • eine Ausnahmeregelung für Antragsteller zu schaffen, bei der auf Antrag eine Patentprüfung außerhalb der Early Certainty in Examination Initiative erfolgt („De-PACE“). Damit kann den speziellen Bedürfnissen der im Bereich der Spitzentechnologie tätigen KMU entsprochen werden.