Positionspapier der BIO Deutschland "Gesundheitspolitik und Innovationsförderung für einen attraktiven Gesundheitsstandort"

31.05.2021

Derzeit wird der Wert einer Medikamenten- und Impfstoffentwicklung in Deutschland vor dem Hintergrund der COVID-19 Epidemie neu betrachtet. Die Biotechnologie hat zuletzt eindrücklich bewiesen, welche Innovationskraft zum Wohle der Patientinnen und Patienten sie hat. Im Gesundheitsbereich tragen Innovationen zur steten Verbesserung der Versorgung bei. Die enormen technologischen Entwicklungen und Erkenntnisse der Biotechnologie der letzten 20 Jahre haben den Einsatz biotechnologischer Verfahren für eine nachhaltigere Produktion sowie Entwicklung bisher nicht dagewesener Therapieoptionen ermöglicht. Gerade die jüngsten Fortschritte z. B. in der Krebs- und Rheumamedizin lassen erahnen, welch großes Potenzial noch in der medizinischen Biotechnologie steckt, um Fortschritte bei vielen immer noch schwer behandelbaren Krankheiten zu erreichen.

Innovation im Gesundheitswesen erfolgt nicht nur durch die Entwicklung und Einführung neuer Produkte, auch verbesserte Prozesse und Strukturen stellen Innovationen im Gesundheitswesen dar. Um Innovationspotenziale zu erkennen und zu heben, wird ein grundlegender Perspektivenwechsel in der Politik notwendig. In den letzten Jahren haben wir bereits den Paradigmenwechsel von einer krankheitsorientierten zu einer gesundheitserhaltenden Betrachtung sowie die Ausrichtung des Systems auf Bürger, Versicherte und Patientinnen und Patienten als aktiv Handelnde angestoßen und teilweise beschritten. Deutschland muss diesen Weg jedoch konsequenter weiter gehen.

Der Branchenverband der Biotechnologie, BIO Deutschland e. V., schlägt mit diesem Positionspapier Handlungsempfehlungen vor, um die Potenziale der medizinischen Biotechnologie am Standort Deutschland zu heben für eine noch bessere Versorgung. Noch fehlt die notwendige „Schlagkraft“, um auf vielen Ebenen Gesundheitsinnovationen hervorzubringen. Aber nur das kann der Anspruch in Deutschland sein. Dafür sind weitere Schritte notwendig:

1. Voraussetzung: Sicherstellung eines schnellstmöglichen Therapiezugangs
2. Voraussetzung: Berücksichtigung der Funktion des Preises von Innovationen
3. Voraussetzung: Deregulierung, Planungssicherheit und Patientenversorgung

Der Forschungsstandort Deutschland weist viele Stärken auf, die für eine prosperierende Biotechnologie von großer Bedeutung sind. Dennoch sind Investitionen vonnöten, damit durch eine standortgebundene Wertschöpfung die Potenziale der innovativen Technologie und deren Entwicklungen zum Wohle der deutschen Volkswirtschaft gehoben werden können. Dass Deutschland Gefahr läuft, seine Rolle als Innovationstreiber zur verlieren, zeigt sich beispielsweise an Zukunftstechnologien, wie den Zell- und Gentherapien. Hier finden sich die Entwicklungszentren derzeit vor allem in den USA, China, Israel und dem Vereinigten Königreich.

Es stellt sich die Frage, warum ist die Biotechnologie nicht längst eine der Branchen, auf die dieses Land setzt? Wir geben weltweit mit am meisten Geld für die Grundlagenforschung aus und Deutschland war einmal die sog. Apotheke der Welt. Medikamente wurden hier erfunden und entwickelt und weltweit vermarktet. Wieso hat sich das geändert und wie werden wir wieder zu Innovationsweltmeistern?

Überdacht werden sollte, ob die Förderung von Therapieentwicklungen nicht neu ausgerichtet werden muss, damit aufwendige klinische Prüfungen deutscher Biotech-Unternehmen am Standort, aber vor allem zeitnah, stattfinden. Das würde diese Unternehmen und den Standort im Wettlauf um Gesundheitsinnovationen stärken.

Aktuell lässt sich das u. a. anhand der Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP) gut verdeutlichen. Wichtig ist ein funktionierender Innovationszyklus, der sich in einer reibungslosen Wertschöpfungskette darstellt. Zur Verbesserung dieses Innovationsökosystem fordert BIO Deutschland:

  • innovationsfreundliche Rahmenbedingungen mit dem Ziel eines förderlichen Kapital- und Forschungsökosystems sowie innovationsfreundlicher Unternehmenskultur
  • Schaffen von Forschungsanreizen und Ausbau der Kooperationsmöglichkeiten (z. B über PPP)
  • Sicherstellen einer fairen Berücksichtigung der spezifischen Anforderungen von neuartigen Therapien (Advanced Therapies and Medicinal Products (ATMP) in Fragen der Nutzenbewertung (durch eine angemessene Umsetzung der anwendungsbegleitenden Datenerhebung) und der Preisbildung (durch umfassende Ermöglichung innovativer Erstattungsmodelle)
  • Verhindern und Rückbau von Hürden für die qualitätsgesicherte Anwendung von ATMPs, etwa durch Beheben der Erstattungslücken im stationären Sektor in der Frühphase der Markteinführung sowie durch die Verhinderung der Mengensteuerung bspw. durch Nichterteilung von Therapiebewilligungen bei zulässigen Therapieentscheidungen.
  • Verbesserung der sektorübergreifenden Vernetzung zwischen Spezialzentren und Peripherie für eine effektive Diagnostik, Therapie und Langzeitbeobachtung der Betroffenen.

Bei Therapien, medizinischen Dienstleistungen und Diagnostik steht Biotechnologie für Innovationen, neue Verfahren und Lösungen in der medizinischen Versorgung. In einem funktionierenden Innovationsökosystem haben Biologika sowie Biosimilars eine wichtige Rolle. Förderlich für ein funktionierendes Innovationsökosystem in der Biotechnologie unter Einbeziehung der Biosimilars sind daher:

  • Objektive Informationen für alle Beteiligten im Gesundheitswesen
  • Faire Zielvereinbarungen und Preispolitik
  • Auslegung von Marktinstrumenten, wie Festbeträge und Ausschreibungen, auf nachhaltige Versorgung, u.a. durch Berücksichtigung mehrerer Anbieter
  • Stärkung der Produktion in Deutschland und Europa – es sollte möglichst mehr als einen Hersteller geben
  • Geistiges Eigentum effektiv schützen, ohne den Markteintritt von Biosimilars einzuschränken
  • Keine automatische Substitution in Apotheken aufgrund der fehlenden pharmakologisch-therapeutischen Identität, um Patientensicherheit zu gewährleisten

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