Gesundheitspolitische Rahmenbedingungen in Deutschland

01.12.2009

Großer medizinischer Forschungsbedarf: Trotz großer Fortschritte in der Medizin kann bis heute nur ein Drittel der rund 30 000 bekannten Erkrankungen ursächlich behandelt werden. Bei zwei Dritteln können Arzt oder Ärztin nur die Symptome behandeln oder im schlimmsten Fall: gar nichts unternehmen. Noch immer hoffen hier Patientinnen und Patienten, dass eines Tages ein Medikament erhältlich ist, das ihre Beschwerden lindert, das Leben verlängert oder zur Heilung der Erkrankung führt. Auch unsere Mitgliedsfirmen arbeiten daran, den Bedarf an neuen Therapien zu befriedigen. Die Biotechnologie ist nicht nur eine Chance für den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland, sondern auch eine große Hoffnung für die Patientinnen und Patienten.

Betrachtung von Kosten & Nutzen: Neue Behandlungsmöglichkeiten bringen möglicherweise auch zusätzliche Kosten mit sich. Auf diese Entwicklung müssen sich die Gesellschaft und ihr Gesundheitssystem vorbereiten. Unser Eindruck ist, dass die Nutzenseite besonders von innovativen Arzneimitteln und damit der Nutzen für die Patientinnen und Patienten und die Gesellschaft in den vergangenen Legislaturperioden zunehmend in der öffentlichen Diskussion in den Hintergrund zu geraten drohte, während die Kosten überschätzt oder zu einseitig betont wurden. Umso erfreuter sind wir, dass die neue Regierung hier offensichtlich andere Akzente setzen will, wie folgendes Zitat aus dem Koalitionsvertrag belegt: "Die Chancen innovativer Arzneimittel für Patientinnen und Patienten, Wachstum und Beschäftigung wollen wir künftig besser nutzen, [...]". Dem stimmen wir zu; dies möchten wir auch. In diesem Positionspapier zeigen wir auf, wie diese Chancen genutzt werden könnten.

Wer ist BIO Deutschland? Die Biotechnologie-Industrie-Organisation (BIO) Deutschland e.V. vertritt die Interessen von mehr als 250 innovativen Unternehmen, die im Bereich Biotechnologie tätig sind.

Unsere Forderungen: Vor dem Hintergrund, dass viele Medikamente zur Behandlung schwerer Erkrankungen wie Krebs oder seltener chronischer Erkrankungen heute mit Biopharmazeutika behandelt werden, fordert BIO Deutschland, mit den Entwicklungen im Gesundheitssystem umsichtig und im Sinne sowohl der Patientinnen und Patienten, die die Medikamente benötigen, als auch der Unternehmerinnen und Unternehmer, die die Medikamente entwickeln und herstellen, umzugehen. Im Einzelnen sollen

  • Verhandlungs- oder Vereinbarungsmodelle unter fairen Rahmenbedingungen stattfinden
  • die Kosten-Nutzen-Bewertungsmethoden des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) internationalen Standards folgen
  • interdisziplinäre Bewertungskonferenzen durchgeführt werden, um den Nutzen neuer Behandlungen gemeinsam besser bewerten und zu den Kosten ins Verhältnis setzen zu können
  • das Zweitmeinungsverfahren wieder abgeschafft werden
  • bei einer Beibehaltung des Zweitmeinungsverfahrens Medikamente nur bei Erfüllung definierter Kriterien zuzuordnen sein und die Verordnung von Wirkstoffen zur Behandlung seltener Erkrankungen durch den Spezialisten ohne Einholen einer zweiten Meinung erlaubt sein
  • die Daten, die Therapiehinweisen zugrunde liegen und dann in der Folge regelmäßig zum Ausschluss von der Erstattung führen, offen gelegt werden
  • die Arzneimittelrichtlinie so geändert werden, dass sie dem Gesetzeswortlaut folgt und die die Zulassung überschreitende Anwendung von Arzneimitteln auch bei kommerziellen klinischen Studien zulässt
  • für innovative Unternehmen die Möglichkeit bestehen bleiben, für die Abgabe von nicht zugelassenen Arzneimitteln im Härtefall eine Vergütung zu erhalten
  • im Sinne der Patientinnen und Patienten Lösungen für die Unterversorgung im Bereich des Off-Label-Einsatzes von Arzneimitteln gefunden werden.

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