Hintergrundpapier zum Ordnungsrahmen für Arzneimittel für seltene Erkrankungen (Orphan Drugs)
13.09.2011
„Patienten mit seltenen Erkrankungen sind die Waisen des Gesundheitswesens: Ihre Erkrankung wird häufig nicht diagnostiziert, es gibt keine Therapiemöglichkeiten und keine Forschung. Daher haben sie keinen Grund zur Hoffnung.“ Eurordis (2005). European Conference on Rare Diseases. Luxemburg 2005
Die Biotechnologie-Industrie-Organisation (BIO Deutschland) e. V., der Wirtschaftsverband der deutschen Biotechnologiebranche, möchte mit diesem Hintergrundpapier über den rechtlichen Status und die Auswirkungen der europäischen und deutschen Regelungen für Arzneimittel für seltene Erkrankungen aufklären.
Im Bereich der sogenannten Arzneimittel für seltene Erkrankungen (auch Orphan Drugs genannt) bestehen besondere Herausforderungen für Ärzte und pharmazeutische Hersteller. Seltene Krankheiten bilden eine sehr heterogene Gruppe von zumeist komplexen Krankheitsbildern, die zu 80 Prozent genetisch bedingt sind und in den meisten Fällen schwerwiegend und chronisch verlaufen. Patienten mit seltenen Erkrankungen benötigen eine umfassende und spezialisierte Versorgung. Mit Erlass der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 (VO 141/2000/EG) über Arzneimittel für seltene Leiden wollte die EU die Forschung und Entwicklung von Arzneimittel für seltene Erkrankungen gezielt fördern. Mehr als vier Millionen Menschen leiden in Deutschland an einer seltenen Erkrankung. Selten ist eine Erkrankung, wenn nicht mehr als fünf von zehntausend Personen davon betroffen sind. Diesen in der Regel chronischen, progredienten, degenerativen und häufig auch lebensbedrohlichen Erkrankungen sind aufgrund ihrer Art häufig stark beeinträchtigend und haben erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität der Erkrankten und der ihnen nahestehenden Personen. Gerade kleine und mittlere Unternehmen in der Biotechnologie engagieren sich stark im Bereich der seltenen Erkrankungen.
Von den etwa 30.000 bekannten Krankheiten fallen bis zu 8.000 unter den Begriff einer seltenen Erkrankung. Hoffnung für die rund vier Millionen Betroffenen in Deutschland und ihre Angehörigen ergibt sich durch die deutliche Zunahme von Arzneimittelentwicklungen für diese Krankheitsbilder, weshalb obiges Zitat heute glücklicherweise nicht mehr für alle Patienten mit seltenen Erkrankungen gilt. Seit der Einführung des Orphan-Drug-Status durch die VO 141/2000/EG wurden 58 Arzneimittel für seltene Erkrankungen zugelassen. Vergleichbare Erfolge erzielen deutsche Biotechnologieunternehmen mit weiteren Nischenmedikamenten, die zwar nicht unter die VO 141/200/EG fallen, aber ebenso für einen kleinen Markt gefertigt werden und einen sehr kleinen Effekt auf das Arzneimittelbudget haben. Diese Forschung der Biotechnologieunternehmen ist immens wichtig, denn sie gibt neue Hoffnung, dass für immer mehr seltene Erkrankungen endlich Therapieoptionen zur Verfügung stehen. Es muss nun darauf geachtet werden, dass die Fortschritte, die durch die Einführung des Orphan-Drug-Status und durch staatliche Fördergelder erzielt wurden, durch eine Erschwerung der Erstattung bzw. der Durchsetzung niedrigerer Preise nicht wieder aufgehoben werden. Das gleiche gilt für die derzeit geplanten deutschen und europäischen Initiativen zur Verbesserung der Situation von Menschen mit seltenen Erkrankungen.