Positionspapier der BIO Deutschland "Ausgründungen erfolgreich gestalten: Drei Handlungsempfehlungen für effizienten und erfolgreichen Technologietransfer"

29.07.2022

Bedeutung von Gründungen für den Technologietransfer und Bedeutung des Technologietransfers für Gründungen

In den letzten dreißig Jahren fand ein fundamentaler Wandel in der pharmazeutischen Industrie statt, infolgedessen durch Risikokapital finanzierte Biotechnologie-Unternehmen eine wesentliche, wenn nicht sogar die zentrale Rolle für den medizinischen Fortschritt spielen1. Etablierte Marktteilnehmer scheuen oft das hohe technologische Risiko von an Universitäten und (angewandten) Hochschulen (UH) bzw. außeruniversitären Forschungseinrichtungen (AUF) entwickelten Technologien oder Therapiekandidaten. Deshalb sind kapitalintensive, risikobereite Ausgründungen im Bereich der Biotechnologie wie z. B. BioNTech ein integraler Teil der Wertschöpfungskette der Gesundheitsindustrie und ein unverzichtbares Bindeglied im Technologietransfer zwischen UH/AUF und der Pharmaindustrie (s. Abb.).

Patente sind meist die Grundlage für Ausgründungen im medizinischen Bereich. Deutschland verfügt über zahlreiche renommierte UH/AUF und eine weitgehend stabile Zahl von Biotech-Patentanmeldungen beim Europäischen Patentamt (2021: 758)2. Der weitaus überwiegende Anteil von Therapiekandidaten mit neuem Wirkmechanismus kommt allerdings aus den USA3 und die USA nehmen zweifelsohne durch die Zahl der Biotech-Patente4 und Ausgründungen eine Spitzenstellung bei dem Technologietransfer aus der Akademie in die Biotech- und die Pharmaindustrie ein. Gründe hierfür sind die unternehmerische Kultur und ‚Mindset‘, das funktionierende Kapitalmarktökosystem mit ausreichend Risiko-Kapital und Möglichkeiten, an die Börse zu gehen, sowie der häufig ausgezeichnete und mit Personal- und Sachmitteln hervorragend ausgestattete Technologietransfer, dem sich viele Spitzenuniversitäten ausdrücklich verschrieben haben.

Von Forschungseinrichtungen und Politik aktiv unterstützter Technologietransfer, der idealerweise auch über Mittel zur Validierung und Reifung von Erfindungen verfügt, ist ein Muss, um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Gründung effektiv, erfolgreich und individuell zu unterstützen. Gerade bei Gründungen geht es gerade nicht um ein ‚One-size-fits-all‘, sondern um auf die jeweilige Gründung in der jeweiligen Branche zugeschnittene Konditionen, die deren Erfolg bestmöglich fördert. Auch in den USA gibt es keine national einheitlichen Richtlinien für die Patentverwertung von Hochschulen bzw. für die Beteiligung von Hochschulen an Ausgründungen5. Das Konzept von Patenten als ‚Innovationswährung‘ ist aber international alternativlos.

Abb. 1: Schematische Darstellung der Wertschöpfungskette der Therapieentwicklung.

Drei Handlungsempfehlungen für effizienten und erfolgreichen Technologietransfer

Wie der Technologietransfer in Deutschland durch verschiedene Maßnahmen zukunftsfähig, nachhaltig und erfolgreich aufgestellt werden kann, haben die Technologietransfer-Experten der BIO Deutschland bereits 2020 in einem Positionspapier6 und einem Leitbild7 formuliert. Im April 2022 hat dann die Agentur für Sprunginnovationen (SPRIND) in einem Papier mit dem Titel „Gesucht: Koalition der Willigen in Politik, Forschungseinrichtungen und Hochschulen für einen Intellectual Property (IP)-Transfer 3.0“8 zu einer umfassenden Reform des IP-Transfers an wissensbasierte Ausgründungen aufgerufen, um so die Zahl der Gründungen in Deutschland zu erhöhen. Kernforderung des SPRIND-Papiers ist die Übertragung (nicht Lizenzierung) von geistigem Eigentum der UH/AUF auf die Ausgründungen, einzige Gegenleistung hierfür soll eine virtuelle Beteiligung der UH/AUF an der Ausgründung im Bereich von 1-10% sein. BIO Deutschland begrüßt den Vorstoß von SPRIND insofern, als dieser die dringend notwenige Diskussion bezüglich der Verbesserung der Rahmenbedingungen für Ausgründungen aus UH/AUF wieder angestoßen hat. Das von SPRIND vorgeschlagene pauschale Transfer-Modell bedarf allerdings einer deutlichen Schärfung und Ergänzung für Biotechnologie und Pharma.

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick den Entwurf der Start-up Strategie der Bundesregierung9 haben die Technologietransfer-Expertinnen und Experten der BIO Deutschland drei Handlungsempfehlungen erarbeitet.

1 Kneller, R. The importance of new companies for drug discovery: origins of a decade of new drugs. Nat Rev Drug Discov 9, 867–882 (2010). https://doi.org/10.1038/nrd3251

2 EPA Statistik-Center: https://new.epo.org/en/statistics-centre

3 Friedmann Y, Where are drugs invented and why does it matter? ACS Med Chem Lett. 2017 Jun 8; 8(6): 589–591, https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acsmedchemlett.7b00185

4 Huggett, B., Paisner, K. Biotech patenting 2021. Nat Biotechnol 40, 813–814 (2022). https://doi.org/10.1038/s41587-022-01338-7

5 Wong SCK et al., Keys to the kingdom, Nat Biotechnol 33, 232-236, (2015) https://doi.org/10.1038/nbt.3159

6 Positionspapier: Von Wissenschaft zu Wirtschaft – Technologietransfer und Translation ausbauen- 2021 www.biodeutschland.org/de/positionspapiere/positionspapier-der-bio-deutschland-von-wissenschaft-zu-wirtschaft-technologietransfer-und-translation-ausbauen-2021.html

7 Leitbild Technologietransfer: www.biodeutschland.org/de/positionspapiere/leitbild-technologietransfer.html

8 Gesucht: Koalition der Willigen in Politik, Forschungseinrichtungen und Hochschulen für einen IP-Transfer 3.0, www.sprind.org/de/artikel/gesucht-koalition-der-willigen-fuer-ip-transfer-3-0/

9 Entwurf de BMWK für eine Start-up Strategie der Bundesregierung, www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/E/entwurf-des-bmwk-fur-eine-start-up-strategie-der-bundesregierung.html

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