Positionspapier der BIO Deutschland "Von Wissenschaft zu Wirtschaft Technologietransfer und Translation ausbauen - 2021"

08.12.2020

Bei der Lösung der globalen Herausforderungen hat die Biotechnologie in Bereichen wie Klima, Energie, Ernährung und nicht zuletzt bei der Gesundheit eine große Bedeutung. Die konsequente Umsetzung von Forschungsergebnissen in konkrete Produkte und Dienstleistungen in diesen Bereichen wird Deutschland in Zukunft noch stärker machen, um gesundheitliche und wirtschaftliche Bedrohungen zu bewältigen.

Die Corona-Pandemie führte jüngst zu einem dramatischen Einbruch der Wirtschaftsleistung in Deutschland.  Die enorme Innovationskraft der öffentlichen und privaten Forschung in der Biotechnologie leistet aber einen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie. Dies geschieht gleichermaßen über den Wissens- und Technologietransfer zum Nutzen etablierter Unternehmen sowie durch die Gründung wissensbasierter Startups1. Ergebnisse des Deutschen Biotechnologie-Reports 2020 der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY in Kooperation mit BIO Deutschland zeigen, dass das Thema Translation in Deutschland immer wichtiger wird bzw. einen höheren Stellenwert einnehmen sollte2.

Das sich vielfach positiv abzeichnende Bild der Branche ist jedoch durch herausragende Einzelereignisse geprägt (z. B. durch das Biotechnologieunternehmen BioNTech, das aus einer akademischen Translation entstanden ist). Deutschland hat aber nach wie vor einen massiven Nachholbedarf gegenüber v. a. China und den USA3. Steuerlich finanzierte (Grundlagen-)Forschung wird insgesamt nur sehr zögerlich und in sehr geringem Umfang in Produkte und Dienstleistungen aus der Biotechnologie und Biomedizin überführt. Hinzu kommt, dass die Wertschöpfung daraus oft durch nicht in Deutschland ansässige Unternehmen generiert wird, welche die Technologien in einem frühen Stadium kostengünstig einkaufen.

Im vorliegenden Positionspapier werden daher konkrete Lösungsansätze zur Verbesserung der Translation in folgenden Bereichen aufgezeigt:

  • Wissens- und Technologietransfer,
  • Gründungen und
  • Förderinstrumente

Aus den einzelnen Schwerpunktthemen stammen folgende wichtigste Handlungsempfehlungen, aus denen eine klare politische Agenda zu Technologietransfer und Translation in der Biotechnologie abgeleitet werden kann.

1. Wissens- und Technologietransfer

Politische Agenda / Strategie

  • Stärkung der politischen Agenda im Bereich der Biotechnologie mit klaren Umsetzungsperspektiven (u. a. Agenda „Von der Biologie zur Innovation“).
  • Stärkung des Wissens- und Technologietransfers, damit sich dieser langfristig orientiert, entsprechende Business Development Expertise und Kapazitäten aufbauen kann, u. a. auch um Gründungen unterstützen zu können.
  • Förderung eines „Mindset-Change“ im Hinblick auf Biotechnologie und Innovation.
  • Berücksichtigung erfolgreichen Technologietransfers bei der Bewertung im Rahmen von Exzellenzstrategien und entsprechende Ausrichtung zweck- bzw. projektgebundener Förderung.

2. Gründungen

Zugang zu Wagniskapital und Exit-Optionen für Investoren („Kapitalmarktökosystem“)

  • Klares Bekenntnis der Politik, dass das Kapitalmarktökosystem zur nachhaltigen Finanzierung von Zukunftstechnologien wie der Biotechnologie genutzt wird.
  • Prüfung und zügige Umsetzung von Modellen wie „1% für die Zukunft“ bzw. „Innovationsfinanzierung durch Chancenkapital“, die seit vielen Jahren vorgeschlagen werden.
  • Rücknahme oder Abmilderung der Änderungen der Außenwirtschaftsverordnung (d. h. Verschärfung der Investitionskontrolle bei ausländischen Direktinvestitionen), die die Finanzierung von Biotechnologie-Startups und Unternehmen in der Wachstumsphase in der aktuellen Form massiv gefährdet und zu einem großen Wettbewerbsnachteil für die Venture Capital finanzierte Hightech-Industrie in Deutschland wird.

Gründungsfreundliche Hochschulen und Gründungsfreundlicher Wissens- und Technologietransfer

  • Förderung von Unternehmertum-unterstützenden Hochschulen; Gründungsfreundlichkeit sollte positiv in Bewertung einfließen; Förderung von Industriekooperationen von Universitäten, insbesondere bei den nicht-technischen Universitäten; evtl. katalysiert über stärkere Zusammenarbeit mit Clustern.
  • Förderung von neuen Life Science-Inkubatoren durch ein konkretes Förderprogramm.

Gründungskultur / „Mindset“

  • Sichtbarmachung von Gründungs-Vorbildern in der Biotechnologie durch entsprechende Formate über die öffentlich-rechtlichen Sender
  • Bereitstellung nationaler/föderaler Fördermaßnahmen für Unternehmensgründungen (Beispiel: HOCHSPRUNG, FLÜGGE (Bayern)); Konzept für neue Translationsinstrumente.

3. Förderprogramme

Pre-Seed und Validierungsförderung

  • Öffnung von Pre-Seed-Förderprogrammen wie z. B. die Programme EXIST und GO-Bio auch für gründungswillige Wissenschaftler, die die Patente selbst besitzen.
  • Förderung von Validierungs- und Proof of Concept-Fonds mit überzeugenden Management- und Bewertungskonzepten an Forschungseinrichtungen und Hochschulen.
  • Verstärkte Förderung von herausragenden Biotechnologie-Leuchtturmprojekten, mit transparenter Entscheidungsgrundlage.

Verbesserte/verstärkte Förderung des Transfers von Forschungsergebnissen in die Wirtschaft

  • Schnelle Wiederauflage von KMU Innovativ für die medizinische Biotechnologie; Ergänzung um Förderprogramme, die interdisziplinäre Ansätze zwischen den Lebenswissenschaften und digitalen Technologien stark fördern.
  • Vereinfachung der Antragstellung durch Schaffung einer einheitlichen Antragsplattform wie z. B. dem Funding & Tenders-Portal der Europäischen Union.
  • Erhöhung der Orientierung der Förderlandschaft an den Bedürfnissen der Unternehmen, z.B. durch
    • regelmäßige Befragung der Antragsteller in allen Förderprogrammen zu Aufwand und Nutzen der Antragstellung.
    • Öffnung aller KMU-Programme für Mittelständler mit bis zu 1.000 Mitarbeitern analog zur neuen ZIM-Richtlinie.
    • Beibehaltung bzw. Intensivierung der Schaffung von weniger aufwändigen „Vorprogrammen“ wie bspw. GO-Bio Initial.
  • Einbeziehen von Cluster Management Organisationen in die Antragstellung (Koordination, inter-) nationale Partnervermittlung – besonders bei organisationsübergreifenden Ausschreibungen) und Umsetzung (Projektmanagement) der geförderten Projekte. Dies schließt auch die Möglichkeit der Finanzierung von beteiligten Clustern als Projektpartner innerhalb der Förderung ein, wie z.B. bei dem Förderinstrument KMU NetC.
  • Mittel- bis langfristige Zusammenführung der zersplitterten deutschen Förderlandschaft in eine Dachorganisation, wie z. B. der schwedischen Innovationsagentur Vinnova, mit gezielter und koordinierter Förderung einer innovativen, ökonomisch attraktiven und risikoreichen Produkt- oder Dienstleistungsidee bis zum Markteintritt.

1 TransferAllianz: 5-Punkte-Plan für mehr Innovationen aus der öffentlichen Forschung. (2020, August 6). TransferAllianz, Deutscher Verband für Wissens- und Technologietransfer, www.transferallianz.de/pressemitteilung/5753/
2 „Good Translational Praxis“ EY- Deutscher Biotechnologiereport 2020, Kapital Biotech-Finanzierung in Europa, Seite 53
3 „Europe’s start-up ecosystem: Heating up, but still facing challenges”, Baroudy K et al. representing views from McKinsey’s Technology, Media, and Telecommunications Practice, www.mckinsey.com/industries/technology-media-and-telecommunications/our-insights/europes-start-up-ecosystem-heating-up-but-still-facing-challenges

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