Positionspapier für einen deutschen Ordnungsrahmen für Arzneimittel für seltene Erkrankungen

19.05.2010

Trotz großer Fortschritte in der Medizin besteht nach wie vor ein großer Bedarf an medizinischen Innovationen, denn bis heute können noch immer nur ein Drittel der rund 30.000 bekannten Erkrankungen ursächlich behandelt werden. Bei zwei Dritteln können Arzt oder Ärztin nur die Symptome behandeln oder im schlimmsten Fall: gar nichts unternehmen. Eine besondere Herausforderung für Ärzte und pharmazeutische Hersteller besteht im Bereich der sogenannten Arzneimittel für seltene Erkrankungen (Orphan Drugs). Durch die Verordnung (EG) Nr. 141/2000 (VO 141/2000/EG) über Arzneimittel für seltene Leiden fördert die EU gezielt die Forschung und Entwicklung von Orphan Drugs. Mehr als vier Millionen Menschen leiden in Deutschland an einer seltenen Krankheit. Selten ist einer Erkrankung, wenn nicht mehr als fünf von zehntausend Personen davon betroffen sind. Gerade kleine und mittlere Unternehmen in der Biotechnologie engagieren sich stark in diesem Bereich und entwickeln oft Nischenprodukte für die Gesundheitsversorgung.
Die erreichten Fortschritte bei diesen Medikamenten dürfen durch restriktive Maßnahmen im Arzneimittelsektor nicht wieder aufgehoben werden.

Vertragsverhandlungen mit ca. 160 Kassen oder mit einem Nachfragemonopolisten GKV-Spitzenverband und sofortige obligate „Nutzen-Schnell-und-Früh-Bewertungen“ drohen, mittelständische Biotechnologieunternehmen zu überfordern. Zumindest bedeuten sie eine erhebliche Markteintrittshürde für kleine und mittelständische Biotechnologieunternehmen. Derartige Maßnahmen erhöhen das Risiko der Forschung und verringern den Forschungsanreiz.

Daher schlagen wir folgenden Ordnungsrahmen für Arzneimittel für seltene Erkrankungen in
Deutschland vor:

  • Diese Arzneimittel sollten bis zu einem bestimmten „Budget Impact“, gemessen als Anteil an den GKV-Gesamt-Arzneimittelausgaben, von allen erstattungsrechtlichen Marktregulierungen frei gehalten werden. Dies gilt insbesondere für den Herstellerrabatt, die geplante Schnellbewertung und die Verhandlungslösung. Aufgrund der Größe des deutschen GKV-Marktes halten wir einen Wert von 0,25 % für praktikabel und angemessen.
  • Wird der Wert von 0,25 % überschritten, so unterliegen auch Arzneimittel für seltene Erkrankungen den üblichen – bis dahin hoffentlich überarbeiteten – Regulierungen des Pharma- Marktes. Insbesondere gelten dann auch die bis dahin gefundenen Regeln für Verhandlungslösungen zwischen Kassen und pharmazeutischen Unternehmern. Auf jeden Fall und unabhängig vom „Budget Impact“ sind Orphan Drugs jedoch von folgenden Regelungen auszunehmen:
    - Eine „Nutzen-Schnell-und-Früh-Bewertung“ ist in keinem Falle notwendig, da zur
      Erlangung des Orphan-Drug-Status bereits ein Zusatznutzen nachgewiesen werden muss.
    - Der Erhöhung des Zwangsrabattes
    - Der Wirtschaftlichkeitsprüfung (es sei denn, diese wird entsprechend dereguliert)
    - Der indirekten Verknüpfung der Arzneimittelausgaben mit dem Ärztehonorar über den § 84 SGB V.
  • Sollte kein Abstand genommen werden von der „Nutzen-Schnell-Früh-Bewertung“, so sollten zumindest die Besonderheiten von Orphan Drugs in der Methodik der Kosten-Nutzen-Bewertung Berücksichtigung finden. Alles andere wäre eine ungerechtfertigte Benachteiligung von Orphan Drugs.

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