Stellungnahme der BIO Deutschland Entwicklung einer nationalen Strategie für gen- und zellbasierte Therapien (gene and cell based therapies, GCT). Entwurf des Berlin Institute of Health (BIH) vom 14.04.2023
26.05.2023
Der Branchenverband der Biotechnologie-Unternehmen Deutschland, BIO Deutschland e. V., begrüßt ausdrücklich, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Berlin Institute of Health damit beauftragt hat, die Entwicklung einer Nationalen Strategie für Gen- und Zelltherapien zu koordinieren. Das Anliegen einer nationalen Standortstärkung mit dem verbundenen Ziel der erfolgreichen Translation neuer Erkenntnisse aus der Forschung in die Krankenversorgung unterstützt BIO Deutschland ebenfalls. Denn Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMP) sind in vielerlei Hinsicht neuartig, womit auch Besonderheiten in ihrer Entwicklung, Produktion, Zulassung und beim Marktzugang bzw. bei der Erstattung einhergehen. Zell- und Gentherapeutika sowie Tissue-Engineering-Produkte werden häufig fokussiert auf kleinste Patientengruppen entwickelt, weil sie oft aus Patientenproben (Zellen, Gene, Gewebe) hergestellt werden. Gentherapeutika wirken in der Regel nur bei einem bestimmten Gendefekt oder bei einer bestimmten Krebsform. Für ein genaues Screening der in Frage kommenden Patientinnen und Patienten müssen diese im Rahmen der Rekrutierung umfassend auf molekularer Ebene charakterisiert werden. Bei einer In-vivo-Gentherapie muss zudem abgeklärt werden, dass die Betroffenen nicht über neutralisierende Antikörper gegen den Vektor des Gentherapeutikums verfügen. Hinzu kommen völlig neue Fragestellungen bei der Herstellung, Aufreinigung und Qualitätsprüfung der Präparate für die klinische Prüfung. Firmen und Zulassungsbehörden betreten hier Neuland. Der Herstellungsprozess von ATMP ist häufig noch komplexer und aufwendiger als bei anderen Biopharmazeutika. Er besteht bei zellbasierten Ansätzen aus einem mehrstufigen Prozess und lässt sich, verglichen zur klassischen Arzneimittelproduktion und selbst zur Biologika-Herstellung, zzt. nicht auf größere Mengen skalieren. Daher ist es wichtig, gezielt neue Technologien für die effiziente Herstellung dieser komplexen Produkte zu entwickeln und entsprechendes Know-how für die technische Entwicklung und Produktion von ATMP in Deutschland und Europa zu halten und stetig auszubauen.
Der vorliegende BIH-Entwurf einer Nationalen Strategie für Gen- und Zelltherapien untergliedert sich in 6 Handlungsfelder. Diese kommen den Anforderungen der äußert anspruchsvollen Gen- und Zelltherapeutika größtenteils nach und bieten aus Sicht von BIO Deutschland eine sehr gelungene Grundlage für den weiteren Prozess auf dem Weg zu einer nationalen Strategie.
Aus Sicht von BIO Deutschland ist es dabei besonders wichtig, dass die vorliegende Strategie keine reine Forschungsstrategie bleibt, sondern die verschiedenen Bundesministerien (BMBF, BMG, BMWK, BMF) eng zusammenarbeiten, um dem anspruchsvollen Unterfangen die nötige politische Aufmerksamkeit zu verschaffen und dem Vorhaben gemeinsam zum Erfolg zu verhelfen. Das Potential für die industrielle Gesundheitswirtschaft und den Pharma- und Biotechnologiestandort Deutschland in Bezug auf Innovation, Forschung, Wirtschaft sollte hierbei noch stärker aufgegriffen werden, auch im Hinblick auf Arbeits- und Fachkräfte. Dabei ist es essentiell, dass die Industrie als Stakeholder in die Entwicklung und Umsetzung stark eingebunden wird und die Ausrichtung der Strategie nicht alleinig auf die Akademie erfolgt. Sie sollte sich entsprechend nicht nur auf Forschung und Translation beziehen, sondern auch Entwicklung, Zulassung, Versorgung, Produktion und Supply Chain einbeziehen. Des Weiteren ist es aus unserer Sicht unerlässlich, dass bei der Ausarbeitung einer Nationalen Strategie für Gen- und Zelltherapie die Situation im internationalen Vergleich betrachtet wird. Sonst geht sie an der Realität der europäischen und außereuropäischen Entwicklung vorbei.
Wir begrüßen den inklusiven Stakeholderprozess, den das BIH gewählt hat. Denn daran wird sich die Akzeptanz und der Erfolg dieser so wichtigen Initiative messen. Deshalb möchten wir betonen, dass es wichtig ist, die Pharma- und Biotechnologieindustrie weiterhin in die Entwicklung und Umsetzung der Nationalen Strategie einzubinden, um den Pharma- und Biotechnologiestandort Deutschland langfristig zu stärken sowie das Potenzial der Gesundheitswirtschaft zu heben. BIO Deutschland bedankt sich für die Möglichkeit zum Entwurf schriftlich Stellung zu nehmen und geht im Folgenden auf die verschiedenen Handlungsfelder ein.