Stellungnahme der BIO Deutschland Referentenentwurf eines zweiten Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts

23.09.2020

In der Praxis kam in den vergangenen Jahren vermehrt die Frage auf, inwieweit es mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar ist, aufgrund der unerlaubten Benutzung eines einzelnen Patents eine weitgehende Unterlassungsanordnung zu erlassen, auch wenn im Einzelfall dessen Rechtsbestand unklar ist und die Bedeutung des benutzten Patents gering sein mag. Vor diesem Hintergrund sieht der Referentenentwurf für ein zweites Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts (2. PatModG) die Einführung einer sog. „Verhältnismäßigkeitsprüfung″ im Rahmen des Unterlassungsanspruchs des Patentinhabers nach § 139 PatG vor.

Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Aufnahme einer Verhältnismäßigkeitsprüfung in den Gesetzeswortlaut in § 139 PatG zu einer nicht beabsichtigten umfangreicheren Relativierung des Unterlassungsanspruchs führt. Neben der Frage, ob die Normierung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung vor dem Hintergrund der bereits vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung erforderlich ist (vgl. Entscheidung „Wärmetauscher“ des BGH X ZR 114/13 vom 10.06.2016), wird die Ausbildung einer verlässlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung zum dann normierten Ausschluss des Unterlassungsanspruchs wegen Unverhältnismäßigkeit zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen. Zudem sorgen bereits bestehende Regelungen aus dem Patentgesetz (bspw. Zwangslizenz und Benutzungsanordnung), die „FRAND“-Bedingungen im Bereich der standardessentieller Patente sowie die allgemeinen zivilrechtlichen  Normen und Rechtsgrundsätze (nicht zuletzt der Grundsatz von Treu und Glauben) für eine ausreichende Balance zwischen dem berechtigten Interesse des Patentinhabers und den Marktteilnehmern und Wettbewerbern. Vielmehr scheint die Forderung nach einer Normierung einer zwingenden Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs vor allem durch das sog. "Injunction Gap", das durch die sehr unterschiedlichen Verfahrensdauern im Patentverletzungsprozess und im Patentnichtigkeitsprozess verursacht wird.

BIO Deutschland fordert daher eine bessere personelle Ausstattung des Bundespatentgerichts, um die Verfahren vor diesem Gericht zu beschleunigen. Hierdurch lassen sich ein Missbrauch des bestehenden Patentsystems bspw. durch die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen auf der Grundlage in ihrem Rechtsbestand zweifelhafter Patente und daraus resultierende, nicht zu vertretende wirtschaftliche Nachteile verhindern, ohne dass dabei der von der Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG umfasste Patentschutz relativiert und damit Innovationen behindert werden.

Für Innovationen aus der Biotechnologie ist ein effektiver Patentschutz von herausragender Bedeutung. So sind Investitionen in die Anmeldung, Aufrechterhaltung und Administration von Patenten nur lohnend, wenn diese einen rechtssicheren und effektiven Schutz der mittels der Patente geschützten Innovationen bewirken. Dies gilt in besonderer Weise für die durch viele Start-ups und KMU geprägte Biotechnologieindustrie, wo oftmals das jeweilige Patent und seine Durchsetzbarkeit den Kern der geschäftlichen Aktivitäten schützt und wesentlich den Wert des Unternehmens bestimmt.

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