Stellungnahme des BIO Deutschland e. V. Legislativvorschlag zur Revision des EU-Arzneimittelrechts der Europäischen Kommission
04.07.2023
Grundsätzlich begrüßt BIO Deutschland die Revision des EU-Arzneimittelrechts, denn die bisherigen Rahmenbedingungen haben die Weiterentwicklungen im Arzneimittelbereich nicht mehr adäquat abgebildet. Im aktuellen Verfahren sehen wir daher auch eine einmalige Chance, die Position der EU im Weltmarkt für Arzneimittel zu stärken. Die mit dem Vorschlag kommunizierten Ziele, den Rechtsrahmen dynamischer und flexibler zu gestalten sowie Patient:Innen schneller zu versorgen, ungedeckte medizinische Bedarfe zu adressieren und Engpässe in der Versorgung zu vermeiden, erreichen die Vorschläge allerdings nicht. Denn mit der Verkürzung von Unterlagen- und Patentschutz, der Verknüpfung von Anreizmechanismen an bestimmte z.T. unerreichbare Bedingungen wie z.B. die Verfügbarkeit eines Arzneimittels innerhalb von zwei Jahren nach Zulassung in allen 27 Mitgliedstaaten oder Innovationen im Bereich (High) Unmet Medical Need wird genau das Gegenteil des Gewollten erreicht: der Zugang zu innovativen Arzneimitteln in der EU wird erschwert. Unterlagen- und Patentschutz bilden die Grundpfeiler für Innovation und sichern Forschungsaktivitäten der Unternehmen ab. Zudem sind stabile und starke Anreize bzw. Rahmenbedingungen entscheidend, um Unternehmen dabei zu unterstützen, Innovationen hervorzubringen. In Anbetracht der Tatsache, dass die EU in bestimmten Bereichen bereits hinter anderen Regionen wie den USA oder China zurückliegt, werden die Vorschläge der EU-Kommission die Wachstumsbarrieren für forschende Biotech-Unternehmen in Europa erhöhen. Zudem zwingen die Unsicherheiten des Prozesses die Unternehmen dazu, Investitionen auf der Grundlage einer Annahme von 6 (+2 Jahren) Unterlagenschutz (ULS) zu planen. Dies hat zweifellos Auswirkungen auf die Entscheidung, in welche Forschungsprojekte investiert und wo solche Investitionen getätigt werden.
BIO Deutschland fordert daher:
- Die Beibehaltung der derzeitigen achtjährigen Laufzeit des Unterlagenschutzes, da die vorgeschlagenen Rechtsvorschriften die Wettbewerbsfähigkeit Europas im Bereich der innovativen Medizin und Biotechnologie irreversibel schädigen und Europa von anderswo gesetzten Forschungsschwerpunkten abhängig machen würde.
- Neben dem bestehenden System aus 8 Jahren ULS, einen entsprechenden Anreiz einzuführen (erweiterter ULS), der Unternehmen belohnt, die in allen Mitgliedstaaten eine Versorgung sicherstellen.
- Die Definition von (High) Unmet Medical Need sollte den Charakter der Schrittinnovationen in der Forschung stärker berücksichtigen, um Patient:Innen nicht von kleinen aber wichtigen medizinischen Entwicklungen auszuschließen.
- Der Anwendungsbereich der regulatorischen Sandboxes sollte über Arzneimittel hinaus erweitert werden, da Innovation an der Schnittstelle wissenschaftlicher Disziplinen stattfindet.
- Rohstoffe für die Herstellung von Arzneimittel für neuartige Therapien (ATMPs) sollten im künftigen System der Quality Master Files Berücksichtigung finden.
- In Bezug auf die Hospital Exemption bedarf es eines einheitlichen Verständnisses zur Auslegung des Begriffs "nicht routinemäßig".
- Eine generelle Ausnahmeregelung für therapeutische ATMPs von den Vorschriften für gentechnisch veränderte Organismen (GMO).