Stellungnahme zum Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zum Az: 2 BvL 6/11

14.03.2012

Der Wirtschaftsverband der Biotechnologiebranche, die Biotechnologie-Industrie-Organisation Deutschland e. V. (BIO Deutschland), begrüßt, dass das Finanzgericht Hamburg die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Verlustvortragsregelung in § 8c KStG dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung vorgelegt hat. Die Regelung ist seit ihrer Einführung kontrovers diskutiert worden und hat in der Praxis ihre Schwierigkeiten bei der Anwendung gezeigt.

Die forschenden Biotechnologieunternehmen in Deutschland sind vielfach auf die Finanzierung durch Eigenkapital in Form von Venture Capital (VC) angewiesen. Aufgrund des langen Entwicklungszyklus kommt es dabei naturgemäß mehrfach zum Wechsel der Anteilseigner. Da die biomedizinische Forschung, insbesondere im Bereich der Therapeutika-Entwicklung, von einem sehr hohen Kapitalbedarf begleitet ist, erfolgen die Anteilseignerwechsel zumeist in Größenordnungen von über 25 % des gezeichneten Kapitals. Andererseits schreiben die Unternehmen wegen der hohen Entwicklungskosten Verluste, da die forschenden Therapeutika entwickelnden Biotech-Unternehmen zunächst keine Umsätze generieren und somit die Aufwendungen die Erträge übersteigen.

Die Regelung des § 8c KStG schränkt die Möglichkeiten der Finanzierung von forschungsintensiven Biotech-KMU ein. Finanzierungsrunden privater Kapitalgeber gehen in kleinen und mittleren Biotechnologieunternehmen regelmäßig mit einer Veränderung der Beteiligungsstruktur einher. Sofern allein hierdurch bestehende steuerliche Verlustvorträge anteilig oder gar ganz untergehen, müssen private Kapitalgeber im Ergebnis aus der Substanz, d.h. dem Eigenkapital des jeweiligen Unternehmens, zu entrichtende Steuern mitfinanzieren. Hierdurch erhöht sich das unternehmerische Wagnis privater Kapitalgeber und es wird für junge Technologieunternehmen schwieriger, das zur Entwicklungs- und Wachstumsfinanzierung erforderliche Eigenkapital zu gewinnen. Das für die weitere Entwicklung junger Technologieunternehmen erforderliche Eigenkapital wird ungleich „teurer“, die Produkte in der Pipeline verlieren massiv an Wert.

Wenn trotz teilweise massiver betriebswirtschaftlicher Verluste viele junge Technologieunternehmen aus ihrer Substanz heraus Steuern bezahlen müssen, ist das verfassungsrechtliche Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit als Ausfluss des allgemeinen Gleichheitssatzes des Artikels 3 Grundgesetz verletzt. Durch die Anknüpfung an die Qualität des Anteilseignerwechsels und außer Acht lassen des im Einzelfall bestehenden Einflusses auf die Entscheidungen der Kapitalgesellschaft werden Kapitalgesellschaften mit Anteilseignerwechsel und solche ohne Anteilseignerwechsel ungleich behandelt. Damit verkennt die Regelung das Trennungsprinzip, welches steuerrechtlich zwischen der Kapitalgesellschaft und den Gesellschaftern strikt unterscheidet und im Sinne einer Belastungsgleichheit umgesetzt werden muss. Indem nur auf den Anteilseignerwechsel und nicht auf den tatsächlichen Einfluss in der Gesellschaft abgestellt wird, erfolgt eine Typisierung ohne rechtlichen Grund. Das Ziel von Finanzierungsrunden und Börsengängen von Technologieunternehmen ist und bleibt die Zuführung von Eigenkapital und nicht ein Anteilseignerwechsel. Gerade bei häufigen Änderungen in der Anteilseignerstruktur, wie es in der Biotechnologie zwangsläufig der Fall ist, bedeutet die Vorschrift des § 8c KStG eine klare Benachteiligung der KMU insbesondere gegenüber der Großindustrie und führt schlimmstenfalls zu Insolvenz einzelner Unternehmen.

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