Biotechnologie-Unternehmen zum neuen Gesetz
Entscheidung im Sinne von Patienten mit seltenen Leiden
Berlin (18. Juni 2010) - Der Wirtschaftsverband der Biotechnologie-Industrie, BIO Deutschland, begrüßt grundsätzlich, dass der Bundestag die Sonderstellung der Medikamente für seltene Erkrankungen anerkennt. Die Abgeordneten stimmten heute über den Entwurf eines Gesetzes ab, dass die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit seltenen Leiden mit innovativen Medikamenten künftig entscheidend beeinflussen wird. Der Gesetzesentwurf (zur Änderung krankenversicherungs-rechtlicher Vorschriften, § 130a Abs. 9 SGB V) schlägt vor, dass Medikamentenentwickler auf Antrag von der geplanten Erhöhung des Herstellerrabattes von derzeit sechs auf 16 Prozent ausgenommen werden können. Diese Unternehmen müssen dabei nachweisen, dass durch den Herstellerabschlag die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen für das Arzneimittel nicht mehr finanziert werden können.
BIO Deutschland hatte gefordert, den Weg für neuartige Arzneimittel für seltene Erkrankungen (sogenannte „Orphan Drugs“) nicht zu blockieren und speziell diese Medikamente von der Erhöhung des Herstellerrabattes auszunehmen. Der Verband schätzt jedoch die praktische Umsetzung der heute im Bundestag gefällten Entscheidung als problematisch ein und fürchtet, dass das neue Gesetz die Patientenversorgung mit Arzneimitteln gegen seltene Erkrankungen verlangsamen wird.
Viele der meist kleinen und mittleren Biotechnologie-Unternehmen in Deutschland entwickeln neuartige Medikamente, die auch Menschen mit seltenen Leiden zugute kommen. BIO Deutschland bedauert, dass der Gesetzgeber keine vollständige Ausnahme für diese Medikamente vorsieht. Die nunmehr eingeführte Regelung sichert lediglich die Finanzierung des Aufwandes für Forschung und Entwicklung (F&E). Der Anreiz zur Weiterentwicklung eines Medikaments und zur Erforschung neuer Produkte ist dadurch möglicherweise nicht gegeben.
Damit Menschen mit seltenen Erkrankungen den selben Zugang zu Diagnostik und Therapie erhalten wie Menschen mit sogenannten „Volkskrankheiten“, wurde vor zehn Jahren von der Europäischen Union eine Verordnung (VO 141/2000/EG) verabschiedet, die vor allem darauf ausgerichtet ist, den Unternehmen die Entwicklung von Arzneimitteln für seltene Erkrankungen durch finanzielle Anreize zu erleichtern. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen in der Biotechnologie, die sich in diesem Bereich stark engagieren, sind ohne gezielte Förderung die Chancen auf Refinanzierung der Entwicklungskosten und die zusätzliche Erwirtschaftung von Mitteln kaum möglich.
Die BIO Deutschland-Arbeitsgruppe „Gesundheitspolitik“ erhoffte sich eine wirkungsvollere Unterstützung durch den Gesetzgeber: Es sei aus Sicht des Verbandes keine konsistente Politik, wenn zunächst die Erforschung und Entwicklung von Nischenmedikamenten auf europäischer Ebene gefördert würden und gleichzeitig auf nationaler Ebene den darin arbeitenden Unternehmen die Refinanzierung der hochriskanten und kapitalintensiven Medikamentenforschung zu erschweren.
Mehr als vier Millionen Menschen leiden in Deutschland an einer seltenen Erkrankung. Von den etwa 30.000 bekannten Krankheiten fallen bis zu 8.000 unter diesen Begriff. Selten ist einer Erkrankung, wenn nicht mehr als fünf von zehntausend Personen davon betroffen sind. Hoffnung für die Betroffenen und ihre Angehörigen ergibt sich durch die deutliche Zunahme von Arzneimittelentwicklungen für diese Krankheitsbilder. Seit der Einführung der EU-Verordnung VO141/2000/EG wurden bereits 59 Arzneimittel für seltene Erkrankungen zugelassen.
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