Ein Weltmarktführer der molekularen Diagnostik

1984 gründeten die drei Doktoranden Metin Colpan, Karsten Henco und Jürgen Schumacher mit der Unterstützung ihres Doktorvaters, des 43-jährigen Biophysikers Detlev Riesner, in Düsseldorf eine Firma. Eine außergewöhnliche Tat, denn Akademia und Industrie waren in der Bundesrepublik damals wie von einer Wand getrennt. Diese durchbrachen die vier Forscher mit der Gründung eines der ersten deutschen Biotech-Spin-offs einer Universität: Diagen. Der aus den Anfangssilben von Diagnostik und Genetik zusammengesetzte Name spiegelte die Geschäftsidee der Gründer wider: Krankheitserreger auf molekularer Ebene mit einfachen Mitteln anhand ihrer Nukleinsäuren aufzuspüren. Im Sommer 1986 gelang Metin Colpan der Durchbruch. Er erfand ein zweiteiliges System aus Plastik für den einmaligen Gebrauch, mit dessen Hilfe sich Nukleinsäuren aus Plasmiden fortan innerhalb weniger Stunden zuverlässig und preiswert extrahieren ließen. Bis dahin mussten Forschungslabors zu diesem Zweck Edelstahlsäulen benutzen und zwei bis drei Tage Zeit einplanen.

Im Mittelpunkt des Geschäfts von QIAGEN steht die Vision, Verbesserungen im Leben möglich zu machen. Das Unternehmen löst dieses Versprechen ein, indem es differenzierte Sample-to-Insight-Lösungen anbieten, die den Kunden helfen, wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen, die in den molekularen Bausteinen des Lebens verschlüsselt sind. Wissenschaftler, Ärzte, Laborleiter und andere Fachleute wenden sich an QIAGEN, wenn es um Lösungen für molekulare Tests geht.

www.qiagen.com

Die von Colpan erfundenen Einmal-Kits begründeten den Erfolg der Firma, die sich inzwischen QIAGEN nannte und mit 20 Mitarbeitern zur Untermiete in einem Produktionsgebäude der Firma Henkel residierte. Ihre zu große Diversifizierung führte freilich zu einer Liquiditätskrise. 1993 splittete sich QIAGEN auf – Karsten Henco und Jürgen Schumacher verließen das Unternehmen und gründeten eigene Firmen. Metin Colpan übernahm die alleinige Geschäftsführung. Gemeinsam mit dem neu angeheuerten Wirtschaftswissenschaftler Peer Schatz entwarf er einen Geschäftsplan, der den Fokus ausschließlich auf die Separationstechniken legte, deren Anwendungsbereiche erweiterte und deren Automatisierung vorantrieb. 1996 führte QIAGEN mit dem BioRobot 9600 seine erste automatisierte Laborlösung zur Aufreinigung von Nukleinsäuren ein. Mit 450 Beschäftigten und Umsatzerlösen von 54 Millionen US-Dollar wagte QIAGEN im selben Jahr als erste deutsche Biotechfirma den Gang an die US-amerikanische Technologiebörse Börse NASDAQ, ein Jahr später wurde QIAGEN am Neuen Markt in Frankfurt gelistet, dem heutigen TecDAX. In Hilden bei Düsseldorf entstand eine repräsentative Firmenzentrale.

Schon bald darauf galt QIAGEN als das Aushängeschild der deutschen Biotechnologie – international spielte das Unternehmen aber noch nicht in der ersten Liga. Das änderte sich im Jahr 2007 durch die milliardenschwere Übernahme des Unternehmens Digene aus dem US-Bundesstaat Maryland, das damals über den einzigen zugelassenen Nachweistest für humane Papillomviren (HPV) verfügte, den Verursachern von Gebärmutterhalskrebs. Durch den Erwerb von Digene entstand einer der Weltmarktführer der molekularen Diagnostik. 2009 übersprang der Umsatz von QIAGEN erstmals die Schwelle von einer Milliarde US-Dollar. Seither integrieren die von QIAGEN angebotenen Diagnostiklösungen alle Schritte von der biologischen Probe bis zu deren Befundung (sample to insight). In automatisierten Verfahren reichen sie von der Extraktion, Aufreinigung und Stabilisierung von Nukleinsäuren und Proteinen über deren Messung bis hin zur bioinformatisch unterstützten Interpretation.

Etwa 6.200 QIAGENer, wie sie sich stolz nennen, versorgen mehr als 500.000 Kunden weltweit, und erzielten 2022 einen Umsatz von mehr als 2,26 Milliarden US-Dollar.

Kurz vor seinem 40. Geburtstag ist das Unternehmen heute ein internationales Schwergewicht. Seit 2018 ist es am New York Stock Exchange notiert, der amtierende CEO Thierry Bernard führte QIAGEN im September 2021 in den deutschen Leitindex DAX. Etwa 6.200 QIAGENer, wie sie sich stolz nennen, versorgen mehr als 500.000 Kunden weltweit, und erzielten 2022 einen Umsatz von mehr als 2,26 Milliarden US-Dollar. Dieser Umsatz verteilt sich zu einer Hälfte auf den Bereich Molecular Diagnostics für die klinische Patientenversorgung. Insbesondere bei der Begleitdiagnostik für die personalisierte Medizin nimmt QIAGEN eine führende Rolle ein. Während der Covid-19-Pandemie basierten 750 Millionen Covid-Tests auf Produkten von QIAGEN. Für die Diagnostik der weltweit tödlichsten Infektionskrankheit, der Tuberkulose, hat QIAGEN einen bahnbrechenden Bluttest im Portfolio, der die Krankheit im Gegensatz zum oft noch üblichen Hauttest objektiv und zuverlässig diagnostiziert. Das Unternehmen engagiert sich dafür, den Zugang zu diesem Test weltweit auch in ärmeren Ländern zu ermöglichen. Die andere Hälfte des Umsatzes von QIAGEN entfällt auf den Bereich Life Sciences, der die Bedürfnisse der Forschung und Forensik bedient. Wie wichtig er ist, lässt sich an zwei Zahlen festmachen: In wissenschaftlichen Artikeln werden Produkte von QIAGEN rund 3,5 Millionen Mal erwähnt und in der Forensik wird alle fünf Sekunden eine kriminaltechnische Probe mit Lösungen von QIAGEN bearbeitet.

Redaktion: Dr. Claudia Englbrecht englbrecht@biodeutschland.org, Joachim Pietzsch j.pietzsch@wissenswort.com