Unternehmen in Schwierigkeiten (Art. 2 Nr. 18 AGVO)

Forschende Biotechnologieunternehmen sind vielfach auf VC-Finanzierungen angewiesen (siehe oben „Geschäftsmodelle“). Sie investieren zunächst sehr viel Geld in Forschung und Entwicklung (F&E) bevor sie innovative Produkte und Dienstleistungen auf den Markt bringen. In frühen Entwicklungsphasen oder in Ergänzung zu VC-Finanzierung, z. B. wenn die Finanzierungsrunde nicht ausreicht, greifen die Unternehmen ebenfalls auf öffentliche Förderung zurück. In 2020 erfolgte vermehrt eine Ablehnung von Förderanträgen mit dem Hinweis, dass die Antragsteller „Unternehmen in Schwierigkeiten“ sind. Auch die 2020 eingeführte und aus Branchensicht sehr zu begrüßende Forschungszulage legt in § 9 Abs. 2 Forschungszulagengesetz (FZulG) fest: „Ein Anspruch nach diesem Gesetz besteht nicht für Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne des Artikels 1 Absatz 4 Buchstabe c und des Artikels 2 Nummer 18 AGVO und soweit die Anwendung der AGVO nach Artikel 1 Absatz 3 AGVO ausgeschlossen ist.

Aus Branchensicht sind insbesondere die folgenden Problembereiche ärgerlich und benachteiligen Unternehmen, die ihre F&E über VC-Kapital finanzieren (müssen):

  • Unternehmen in Schwierigkeiten sind von Projektfördermaßnahmen ausgeschlossen
  • Auch in der Bundesregelung Forschungs-, Entwicklungs- und Investitionsbeihilfen des BMBF1 wurde nachträglich klargestellt, dass Unternehmen, die sich am 31. Dezember 2019 bereits in Schwierigkeiten befanden gemäß Artikel 2 Absatz 18 der AGVO, keine Beihilfen nach dieser Regelung gewährt werden dürfen
  • In § 9 Abs. 2 FZulG sind „Unternehmen in Schwierigkeiten“ als Antragsteller ausgeschlossen. Dies ist unverständlich, weil die Forschungszulage ja insbesondere für innovative KMU konzipiert worden ist. Nunmehr droht der Ausschluss einer ganzen Branche.
  • Problem des „aufgebrauchten“ Grundkapitals: Das passiert immer dann, wenn die Finanzierung als Fremdkapital darzustellen ist (z. B. convertible bonds, welche ein wichtiges Finanzierungsinstrument in der VC-Branche geworden sind, oder Absicherung von Finanzierungen durch Nachrangdarlehen, die gemäß internationaler Accounting Standards als Fremdkapital zu qualifizieren sind).

Es steht zu befürchten, dass auch bei weiteren Förderungen diese Problematik auftauchen wird. Daher sollte der aus dem europäischen Beihilferecht2 stammende Begriff der „Unternehmen in Schwierigkeiten“ geändert/angepasst werden.

1 https://www.bmbf.de/foerderungen/bekanntmachung-3235.html - abgerufen am 15.12.2020

2 Mit der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (VO(EU) 651/2014 - AGVO) werden bestimmte nach Art.107 Abs.1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) untersagte staatliche Beihilfemaßnahmen freigestellt. Art. 2 Nr. 18 AGVO definiert „Unternehmen in Schwierigkeiten“ und stellt u. a. darauf ab, dass „mehr als die Hälfte des gezeichneten Stammkapitals infolge aufgelaufener Verluste verlorengegangen ist“. Das trifft auf forschende Biotechnologieunternehmen oft zu, weil sie ihr Grundkapital für die Forschungsaufwendungen verwenden, bevor sie die nächste Finanzierungsrunde angehen.